Erinnerungen an Käthe Kollwitz: Anteilnehmende Beobachterin

Vor 150 Jahren wurde Käthe Kollwitz geboren: mit Ausstellungen und Spaziergängen feiert man die kämpferische Künstlerin.

Kollwitz mit Kupferplatte

Die Künstlerin am Arbeitsplatz: Käthe Kollwitz im Jahr 1910 Foto: Nachlass Kollwitz, Käthe Kollwitz Museum Köln

Ruhig und erhaben thront das bronzene Abbild von Käthe Kollwitz auf dem nach ihr benannten Platz in Prenzlauer Berg. Der Bildhauer Gustav Seitz, der Kollwitz zu Lebzeiten kannte, fertigte die Skulptur in den 50er-Jahren nach dem Tod der Künstlerin mithilfe ihrer Zeichnungen an. Das Denkmal zeigt die Grafikerin und Bildhauerin sitzend mit Stift und Zeichenblock in den Händen. Es sind die Utensilien, mit denen sie die sozialen Bedingungen ihrer Zeit verewigte. Vor 150 Jahren wurde Käthe Kollwitz geboren – in Berlin wird deshalb mit Ausstellungen und Spaziergängen durch ihr Wohnumfeld an die besondere Bürgerin erinnert.

Das Leid, das Kollwitz in den Kriegsjahren und in ihrer Umgebung sah, bildete sie in markanten Kohlezeichnungen und Holzschnitten ab. Die Ereignisse, die sie miterlebte, wie den Ersten Weltkrieg, die Etablierung einer parlamentarischen Demokratie, den Aufstieg Hitlers und den Zweiten Weltkrieg, sind in ihren Zeichnungen als persönliche Erinnerungen zu erleben. In einer Zeit, in der Männer in der Kunst dominierten, drückte sie in ihren Arbeiten eine seltene weibliche und persönliche Perspektive im Blick auf die Kriegsjahre aus. Auch zu Kollwitz 150. Geburtstag sind ihre Werke noch aktuell. Auffallend in ihren Bildern sind die unnatürlich großen Hände und Füße. Die Stabilität, die uns diese Körperteile geben, hat Kollwitz in den Kriegsjahren stets gesucht.

Was die Künstlerin zu Lebzeiten antrieb, wie sie ihre Tage verbrachte und in welchem Umfeld sie sich bewegte, wird nun in einer umfangreichen Ausstellung samt Begleitprogramm mit den Stadtspaziergängen in der Galerie Parterre in Prenzlauer Berg gezeigt. Der Standort der Galerie ist nur 15 Gehminuten von Kollwitz’ Wohnhaus entfernt. Zum Jubiläum der Berliner Künstlerin hat sich die Leiterin der Galerie, Kathleen Krenzlin, ein besonderes Programm überlegt. In enger Zusammenarbeit mit dem Käthe Kollwitz Museum Köln werden in der Ausstellung „Käthe Kollwitz und Berlin“ 73 Arbeiten von Kollwitz ausgestellt. Krenzlin begann vor drei Jahren mit ihrer Spurensuche. Sie wollte sich der Künstlerin frei und umfassend nähern und auf Kollwitz’ Lebensumfeld eingehen – etwas, das sie in vorherigen Ausstellungen über die Künstlerin vermisste.

Die Kunsthistorikerin und geborene Berlinerin Krenzlin weiß, dass die Thematik um die Person Käthe Kollwitz noch immer ansprechend ist: „Ernste und innige Kunst, die Konflikte zeigt, interessiert auch die Jugend.“ Die Werke von Kollwitz seien mit der aktuellen politischen Kontroverse um die Flüchtlingspolitik und weltweiten Brennpunkte immer noch modern. Wie eine Frau in der damaligen Zeit freie Kunst schaffen konnte, sei außerdem eine wichtige Frage. Krenzlin blickt deshalb auf Kollwitz’ Familie: „Sie hatte einen Mann, der ihr den Rücken freigehalten hatte.“

Vor 150 Jahren

Am 8. Juli 1867 wurde Käthe Kollwitz im damals preußischen Königsberg geboren. Mit 24 Jahren zog sie mit ihrem Mann Karl Kollwitz aufgrund seiner Berufstätigkeit als Arzt in das damalige Neubaugebiet des Prenzlauer Bergs. Dort wurden auch die zwei Söhne Peter und Hans geboren.

Mit „Käthe Kollwitz und Berlin“ ist in der Galerie Parterre eine Spurensuche zum 150. Geburtstag der Künstlerin zu sehen. Im Begleitprogramm zur Ausstellung findet am Samstag, 8. Juli, um 14 Uhr ein erster Stadtspaziergang statt, um 16 Uhr gibt es mit der Bolschewistischen Kurkapelle ein Geburtstagsständchen vor der Galerie, Danziger Straße 101, Haus 103. Ausstellung bis 24. September, Mi.–So. 13–21 Uhr, Do. 10–22 Uhr. Programm: www.galerieparterre.de

Die Sonderschau „Käthe Kollwitz und ihre Freunde“ im Kollwitz-Museum, Fasanenstraße 24, ist bis 15. Oktober zu sehen, täglich 11–18 Uhr.

Das Viertel stellte mit dem Atelier im Wohnhaus Kollwitz’ Lebensmittelpunkt dar. Ihr Mann war im Kiez bekannt und bewegte sich im sozialem Umfeld der gutbürgerlichen Privatpatienten und arbeitenden Kassenpatienten. Kollwitz begleitete ihn auf Visiten in der Nachbarschaft und verewigte die Situationen in ihren Zeichnungen. Wie keine andere prägte sie mit ihrem Werk damit den Prenzlauer Berg. Zwar ist der Bezirk nicht oft auf ihren Bildern zu erkennen, doch ist Kollwitz dort auch heute noch allgegenwärtig. So wurde die ehemalige Weißenburger Straße, in der sie von 1891 bis 1943 lebte und arbeitete, zwei Jahre nach ihrem Tod 1945 in die Kollwitzstraße umbenannt. Und nicht nur das, ihre unmittelbare Nachbarschaft wird heute Kollwitzkiez genannt.

Kollwitz’ künstlerische Tätigkeit und ihre Freiheit bereiteten der Künstlerin trotzdem Sorge: „Sie hatte hohe moralische Ansprüche an sich und sich ständig gefragt, wie sie diese erfüllen kann, wenn sie sich nur ihrer Kunst widmen möchte“, erklärt Kathleen Krenzlin. Aber die Künstlerin hätte gewusst, dass sie Talent hatte. Sie bewarb sich um Ausstellungen und bekam mit ihrer Radierfolge „Ein Weberaufstand“ 1898 in der Großen Berliner Kunstausstellung große Aufmerksamkeit.

Nicht nur als Künstlerin war Kollwitz eine sehr aktive Person: Die gerne besuchte Volksbühne konnte die Familie in 15 Minuten zu Fuß erreichen – sie wurde über 20 Jahr lang von Kollwitz’ Bruder Conrad Schmidt geleitet. Durch die öffentlichen Verkehrsmittel war Kollwitz mobil und arbeitete nicht nur in der näheren Umgebung. Für einige Zeit beanspruchte sie neben ihrem Studio zu Hause auch das Meisteratelier an der Akademie der Künste in Charlottenburg.

Würdigung auch im Westen Berlins

Wie in der Galerie Parterre wird auch im Westen Berlins der 150. Geburtstag der Künstlerin gefeiert. In der Ausstellung „Käthe Kollwitz und ihre Freunde“ verweist das Käthe-Kollwitz-Museum in der Fasanenstraße auf die vielen Querverbindungen in die Berliner Kunst- und Intellektuellenszene. Kollwitz war durch ihre künstlerische Tätigkeit mit dem Akademiepräsidenten Max Liebermann und Otto Nagel befreundet.

Ihre Gefühle der immer wieder turbulenten Zeiten drückte sie in Bildern aus. Zehn Jahre nach der Revolution am 9. November 1918 entwarf sie eine Postkarte, deren Originalzeichnung in der Galerie Parterre zu sehen ist. Eine Menschenansammlung wird hier vor dem Brandenburger Tor gezeigt, welches man nur an den markanten Säulen erkennt. Die Bürger drängen sich um ein Gefährt und es scheint, als ob sie es mit ihrer Kraft durch das Tor schieben. Die unruhigen Striche verweisen auf die Spannung, die während der Revolution in der Luft gewesen sein muss. Die Zeitzeugin Kollwitz wusste das – sie nahm selbst daran teil. Und so werden Käthe Kollwitz Erinnerungen 150 Jahre nach ihrer Geburt nicht nur ein Abbild ihres expressiven Seelenlebens, sondern auch ein historisches Dokument.

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