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Ermittlungen gegen PolizeibediensteteJupheidi und Jupheida, Hausdurchsuchung, Razzia

Schläge, Tritte, Stöße: Frankfurter Be­am­t:in­nen stehen in Verdacht der Körperverletzung, der Strafvereitelung und der Verfolgung Unschuldiger.

Einsatzfahrzeuge der Polizei vor dem ersten Polizeirevier in Frankfurt am Main, 10. Oktober Foto: Andreas Arnold/dpa

Frankfurt/Main taz | Wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt, der Strafvereitelung im Amt und der Verfolgung Unschuldiger wurden am Freitagmorgen die Dienststellen und Wohnungen mehrerer Frankfurter Po­li­zis­t:in­nen durchsucht. Das teilten die Staatsanwaltschaft Frankfurt und das hessische Landeskriminalamt mit.

Die Ermittlungen richten sich gegen fünf Polizeibeamtinnen und zwölf Polizeibeamte im Alter zwischen 24 und 56 Jahren, die im Ersten Polizeirevier in Frankfurt im Streifendienst und in der vorgesetzten Dienstgruppenleitung eingesetzt waren. Ihnen werden auch Strafvereitelung im Amt und die Verfolgung Unschuldiger vorgeworfen. Durchsucht wurden vier Dienststellen und 21 Wohnanschriften.

Konkret wird den Beschuldigten vorgeworfen, von Februar bis Ende April dieses Jahres sechs Männern während oder nach Festnahmen unberechtigt körperlichen Schaden zugefügt zu haben beziehungsweise solche Taten geduldet und nicht angezeigt zu haben. Laut der Frankfurter Staatsanwaltschaft geht es um „Schläge, Tritte, Stöße mit dem Kopf gegen die Wand und Tür“. In einem Fall soll ein Geschädigter die Treppe hinuntergestoßen worden sein.

Die Opfer, deren Anzeigen die Ermittlungen auslösten, sollen Schürfwunden, Gesichtsprellungen und in einem Fall einen Nasenbeinbruch erlitten haben, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Dominik Mies. Bei den Geschädigten soll es sich um zwei deutsche Staatsbürger, zwei Algerier sowie zwei Staatenlose, die in Syrien geboren worden sind, handeln.

Taten sollten vertuscht werden

Den Angaben von Staatsanwaltschaft zufolge liegen Aufzeichnungen von einigen Taten vor, teils durch die Videoüberwachung im Polizeirevier, teils durch Bodycams oder öffentliche Videoanlagen. Um das eigene Vorgehen und ihre Gewaltanwendung nachträglich zu rechtfertigen, sollen die Be­am­t:in­nen in fünf Fällen auch noch Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Widerstands oder eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte eröffnet haben.

Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) kündigte am Freitag sofortige personelle Konsequenzen an. Bei sechs Beschuldigten werde wegen „besonders gravierender Vorwurfslagen“ unverzüglich ein Verbot des Führens der Dienstgeschäfte ausgesprochen. Gegen alle 17 Beschuldigten würden Disziplinarverfahren eingeleitet. Die Dienstgruppe des 1. Reviers, gegen die Vorwürfe bestehen, soll zudem komplett neu aufgestellt werden.

Außerdem soll die Führung des Ersten Frankfurter Polizeireviers ausgetauscht werden, auch wenn „es derzeit keinerlei Anhaltspunkte für eine Vorwurfslage gegen die bisherige Revierleitung gibt“, wie Poseck betonte. Eine sehr erfahrene Führungskraft aus dem Hessischen Polizeipräsidium soll die Leitung umgehend übernehmen. „Es ist ein Grundpfeiler unseres Rechtsstaats, dass die Menschen darauf vertrauen können, dass die Polizei Gewalt nur bei Zwangsmaßnahmen und im Rahmen des erforderlichen Umfanges anwendet“, sagte Poseck.

Als „sehr gravierend“ bezeichnete Frankfurts Polizeipräsident Stefan Müller die im Raum stehenden Vorwürfe. „Die Verdachtslagen gegen die Polizistinnen und Polizisten erschüttern mich und gefährden das Ansehen unserer Polizei“, sagte er. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine integre Polizei sei „Grundvoraussetzung für unser tägliches Handeln und für unseren Erfolg“.

An den Durchsuchungen am Freitagmorgen waren rund 150 Kräfte des Landeskriminalamtes sowie Be­am­t:in­nen der Staatsanwaltschaft beteiligt. Bei den Verdächtigen wurden Mobiltelefone und Datenträger sichergestellt. Diese würden nun ausgewertet.

Revier war schon mal in den Schlagzeilen

„Bislang liegen keine Hinweise auf ein extremistisches Motiv vor“, schreiben die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt in ihrer Mitteilung. Dieser Hinweis könnte darin begründet sein, dass das Erste Polizeirevier in Frankfurt vor einiger Zeit schon einmal in die Schlagzeilen geraten war: Nach rechtsextremen Drohschreiben mit der Unterschrift „NSU 2.0“ an zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens liefen zwischenzeitlich Ermittlungen in dem Komplex gegen einen Polizisten und eine Polizistin des Reviers, sie wurden aber Ende 2023 eingestellt.

Im Sommer 2024 entschied das Oberlandesgericht Frankfurt, dass auch fünf Beamt:innen, die zwischen 2014 und 2018 rechtsextremes Gedankengut in mehreren Chatgruppen verbreitet hatten, juristische Konsequenzen erspart blieben. Die Chatgruppen, in der die Po­li­zis­t:in­nen über jüdische Menschen, Schwarze, Mi­gran­t:in­nen und Menschen mit Behinderung hetzten sowie Hitlerbilder und Hakenkreuze austauschten, war nur durch Zufall aufgeflogen: Im Zuge der Ermittlungen der „NSU 2.0“-Drohschreiben gegen die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız, die auch NSU-Opfer vertritt, und weitere Betroffene.

Die Beschuldigten hätten zwar „in erheblichem Umfang teilweise nur schwer erträgliche menschenverachtende, rechtsextreme, gewaltverherrlichende, antisemitische, ableistische und rassistische Inhalte geteilt“, befand damals das Gericht. Strafbar aber sei dies wegen der privaten Chatgruppen und deren „überschaubarem Personenkreis“ nicht. Für eine Verurteilung wegen Volksverhetzung brauche es eine größere Öffentlichkeit.

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