Ermittlungen zu rechter Anschlagsserie: Ohne Ergebnis eingestellt

Attacken auf Neuköllner Zivilgesellschaft: Die Opfer mutmaßlich rechter Anschläge beklagen die Einstellung von polizeilichen Ermittlungen.

Kundgebung mit antifaschistischem Transparent, im Vordergund schaut ein Mann in die Kamera

Der Buchhändler Heinz Ostermann auf einer Solidaritätskundgebung im Februar 2018 Foto: imago/tagesspiegel

BERLIN taz | Brennende Autos, eingeschmissene Scheiben, gestohlene Stolpersteine – in den vergangenen zwei Jahren finden Attacken mit mutmaßlich extrem rechtem Hintergrund im nördlichen Neukölln wiederholt Ziele. Unter den Betroffenen sind LokalpolitikerInnen, zivilgesellschaftliche AkteurInnen und immer wieder ein Buchhändler.

Erst im April dieses Jahres demonstrierten gut 1.000 Menschen durch Neukölln, um gegen die Angriffe und das Fehlen jeglichen Ermittlungserfolges zu protestieren. Seitdem hat sich die Situation nicht geändert. Trotz gelegentlicher Meldungen über Durchsuchungen in verschiedenen Wohnungen Rechtsradikaler sind bislang keine Verdächtigen in Haft oder gar angeklagt.

Wie Betroffene von den Anschlägen am Mittwoch öffentlich machten, seien inzwischen sogar mindestens zwei Ermittlungsverfahren mit Bezug zu der Serie eingestellt. Die antifaschistisch engagierte Historikerin Claudia von Gélieu zeigt Unverständnis für diesen Schritt: „Nach den offiziellen Stellungnahmen des Innensenators handelt es sich um eine Serie rechter Straftaten. Deshalb hat er Sondereinheiten beim Landeskriminalamt und beim Polizeiabschnitt eingerichtet. Warum werden nun einzelne Verfahren eingestellt?“ Gélieus Privatauto war im Februar 2017 angezündet worden.

Ähnlich äußert sich auch der Buchhändler Heinz Ostermann. Die Ermittlungen wegen eingeworfener Scheiben an seinem Geschäft gehören zu den jetzt eingestellten. Ostermann hatte sich mit seinem Laden, dem Leporello, 2016 an einer Veranstaltungsreihe beteiligt, die sich kritisch mit Rechtspopulismus auseinandersetzte, und war danach das Ziel von Attacken geworden.

Weiterhin gefährdet

Irritation löst bei den Betroffenen neben den eingestellten Ermittlungen die nach ihrer Auskunft gerade erst erfolgte Intensivierung des Objektschutzes für einzelne der bisherigen Anschlagsziele ohne weitere Erläuterung durch die Innenbehörde aus. „Hat sich die Gefahrenlage aufgrund uns unbekannter neuer Erkenntnisse verändert?“, fragt Mirjam Blumenthal, SPD-Politikerin aus Britz, die ebenfalls mit Bedrohungen und Anschlägen konfrontiert war.

Gegenüber der taz lehnte die Senatsverwaltung für Inneres eine weitergehende Kommentierung der Vorgänge ab. Ein Sprecher der Verwaltung erklärte: „Zu Schutzmaßnahmen bestimmter Personen äußern sich die Polizei und die Innenverwaltung grundsätzlich nicht. Dies würde die notwendigen Schutzmaßnahmen konterkarieren.“

Die Betroffenen kritisieren das Vorgehen der Behörden als widersprüchlich und wenig ermutigend. „Angst macht mir das Ganze“, erklärt Linken-Politiker Ferat Kocak. Die SPD-Politikerin Gabi Gebhardt sagt: „Es macht mich wütend, wie mit der Angst der Geschädigten und der Strafverfolgung gegen rechts umgegangen wird.“

Detlef Fendt, langjähriger Gewerkschaftsaktivist und wie die anderen in der Vergangenheit Ziel rechter Attacken, fasst es kurz zusammen: „Wenn Politiker*innen zur Verteidigung der Demokratie gegen rechts aufrufen, dann dürfen sie die, die es tun, nicht im Feuer stehen lassen.“

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