Ermittlungen: Brandexperten mit Vorliebe für Spiritus

Das Berliner Landeskriminalamt diagnostiziert häufig Spiritus als Brandursache. Mit einer Methode, die in der Fachwelt offenbar nicht anerkannt ist. Polizeichef Glietsch hat trotzdem keine Zweifel an der Kompetenz der Ermittler.

In Berlin wird öfters Spiritus als Brandursache ermittelt - bundesweit ist das umstritten. Bild: AP

Vor dem neuerlichen Prozess gegen Monika de M. wurden die Brandsachverständigen des Berliner Landeskriminalamts (LKA) von der Staatsanwaltschaft mit dem Gutachten des Bundeskriminalamts (BKA) konfrontiert. Die Chemikerin des BKA kommt zu dem Schluss, bei dem Feuer in dem Haus von Vater de M. habe keine Brandstiftung vorgelegen. Das LKA erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme, blieb aber bei der Einschätzung, dass Spiritus als Brandbeschleuniger verwendet worden sei. Zur Begründung heißt es: Kein Kriminaltechniker in Deutschland habe sich so intensiv mit der Analyse von Spiritus als Brandbeschleuniger auseinandergesetzt wie die Berliner LKAler.

Bekenntnisse wie diese treiben Rudolf Jursic, dem Schwager von Monika de M., die Zornesröte ins Gesicht. Der 60-jährige Maschinenbauingenieur hat jahrelang für die Rehabilitierung der Schwägerin gekämpft. In dieser Zeit ist er selbst zum Chemieexperten geworden. Aus der Stellungnahme des LKA geht auch hervor, dass die Fachdienststelle allein im Zeitraum Januar 2003 bis November 2007 in 196 Brandfällen Spiritus als Brandbeschleuniger festgestellt haben will. Wenn er diese Zahl höre, frage er sich, wie viele Menschen noch so alles unschuldig in den Gefängnissen säßen, sagt Jursic zur taz. Er wisse allein von drei Fällen, bei denen LKA-Gutachten vor Gericht von Zweitgutachtern in erster oder zweiter Instanz erfolgreich in Frage gestellt wurden. Die Brandexperten des LKA seien "eine Gefahr für Berlin", ist Jursic überzeugt. Er fordert deshalb eine unabhängige Untersuchungskommission von Wissenschaftlern, die die Messmethode überprüft, mit der das LKA Spiritus so sicher als Brandbeschleuniger nachzuweisen meint.

Auch der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss im Fall von Monika de M. gerügt, dass die vom LKA "dargestellte Messmethode offensichtlich nicht standardisiert" sei, weil sie auf "eigenen Erfahrungswerten aufbaut". Der Vorsitzende der Vereinigung Berliner Strafverteidiger, Peter Zuriel, spricht von einem Schulstreit unter Kriminaltechnikern mit verhängnisvollen Folgen. Die Methoden des LKA seien in der Fachwelt offenbar nicht anerkannt. Auf Gutachten, die nicht wissenschaftlich fundiert seien, dürften keine Verurteilungen vorgenommen werden, warnt Zuriel die Gerichte.

Auch die Sachverständige des BKA hatte im Prozess gegen Monika de M. bestätigt, dass die Berliner Kollegen gern Spiritus als Brandbeschleuniger diagnostizierten. Die Fehleinschätzung der Kollegen im konkreten Fall könne sie sich nicht erklären. Vielleicht seien deren Messgeräte zu empfindlich, oder es habe bei der Aufbereitung der Proben einen Fehler gegeben.

Polizeipräsident Dieter Glietsch fühlt sich trotzdem nicht bemüßigt, Konsequenzen daraus zu ziehen. Dass es zu einem Sachverhalt unterschiedliche technisch-wissenschaftliche Einschätzungen gebe, "begründet keinen vernünftigen Zweifel an der Kompetenz" der Ermittler, ließ er mitteilen.

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