Erneuerung der SPD in NRW: Machiavelli am Mittelrhein

Der weitgehend unbekannte Sebastian Hartmann soll NRW-SPD-Chef werden. Dabei geht es wohl um den Kampf um Posten an anderer Stelle-

Sebastian Hartmann redet im Bundestag

Hauptsache, der Börschel wird nix: Sebastian Hartmann im Bundestag Foto: dpa

BOCHUM taz | Nach den verheerenden Wahlniederlagen in Bund und Land scheute Nordrhein-Westfalens scheidender SPD-Chef Michael Groschek keine Worte: Ab sofort gelte „Basis statt Basta“, tönte der 61-jährige Oberhausener, der den Landesvorsitz im Juni niederlegen will – und mahnte: „Die SPD darf nie wieder zum Streichelzoo für Platzhirsche werden.“

Doch von der versprochenen Erneuerung ist an Rhein und Ruhr wenig zu sehen. Stattdessen führt die einstige Regierungspartei im bevölkerungsreichsten Bundesland ein altbekanntes Spiel auf: Ihre Spitzenfunktionäre kämpfen um Posten, Macht und Einfluss. Von Groscheks inhaltlichen Initiativen wie der „angemessenen Besteuerung von Mega-Vermögen“ ist dagegen kaum die Rede.

Eingebrockt hat den Sozialdemokraten das ein weiterer Spitzengenosse auf Abruf: Auch Norbert Römer, einst Vertrauter der im Mai vergangenen Jahres krachend abgewählten Exministerpräsidentin Hannelore Kraft, hat seinen Rückzug als Vorsitzender der Landtagsfraktion für den 24. April angekündigt. Ganz gehen will der 71-Jährige aus Castrop-Rauxel allerdings nicht: „Gut möglich, dass Römer Landesschatzmeister bleiben will“, ist aus Düsseldorf zu hören.

Auch in der Fraktion will der Exfunktionär der Gewerkschaft Bergbau und Energie über sein Erbe bestimmen. Als Nachfolger will Römer unbedingt seinen bisherigen Parlamentarischen Geschäftsführer Marc Herter durchdrücken – der stammt aus dem westfälischen Hamm und damit wie der scheidende Fraktionschef selbst aus der mitgliederstärksten und damit einflussreichsten Region der NRW-SPD, dem Westlichen Westfalen.

Herter ist nicht unumstritten

In der Fraktionssitzung am Dienstag hat Herter nach taz-Informationen erstmals offiziell erklärt, für den Vorsitz kandidieren zu wollen. Doch der 43-Jährige ist nicht unumstritten: Als mögliche Konkurrenten wurden immer wieder der Kölner Martin Börschel und Exjustizminister Thomas Kutschaty genannt.

Um wenigstens Börschel zu verhindern, haben der Noch-Parteivorsitzende Groschek und Noch-Fraktionschef Römer ohne jede Beteiligung der Basis ein nach Regionsproporz fein austariertes Personaltableau entworfen. Davon überrascht wurden selbst die Mitglieder einer vom Parteivorstand berufenen „Personalfindungskommission“, die den Vorschlag der beiden Chefs aber abnickten: Als Nachfolger Groscheks wurde am Dienstag der aus dem Rhein-Sieg-Kreis stammende Bundestagsabgeordnete Sebastian Hartmann vorgestellt. Die Dortmunderin Nadja Lüders soll als Generalsekretärin Svenja Schulze ersetzen, die als Umweltministerin nach Berlin gewechselt ist.

Dass der 40-Jährige Hartmann weitgehend unbekannt ist, scheint dabei keine Rolle zu spielen. Offenbar haben Groschek und Römer gezielt nach einem Kandidaten gesucht, der wie der mögliche Kölner Herter-Konkurrent Börschel aus der SPD Mittelrhein stammt – und damit Börschel blockiert. Dass sowohl der Partei- wie der Fraktionschef aus derselben Region stammen, ist in der proporz­fixierten NRW-SPD undenkbar.

Hartmann gilt schon heute als reiner Übergangskandidat. Der ehemalige Mitarbeiter von Martin Schulz, der sein Jura-­Studium abgebrochen und danach vor allem im SPD-Umfeld gearbeitet hat, gilt bei vielen Genossen als ungeeignet, in vier Jahren gegen CDU-Ministerpräsident Armin Laschet anzutreten.

Absegnen soll die Personalie Hartmann ein Parteitag am 23. Juni in Bochum. Als Zukunftshoffnung gilt vielen GenossInnen Svenja Schulze: Als Berliner Ministerin, die Umwelt und Wirtschaft miteinander versöhnt, könne die 49-Jährige in NRW punkten, hoffen sie.

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