Eröffnung der Automesse IAA: Bühne frei für Benzin und Diesel
Die Mobilitätsmesse IAA in München gibt sich klimafreundlich. Doch Autolobby, Merz und Söder sind gegen das Verbrenner-Aus der EU im Jahr 2035.
Da wirkte es noch so, als spielten verschiedene Verkehrsmittel eine Rolle bei der IAA. Als der erste Redner auf die Bühne des Kongresszentrums trat, erschienen auf der Screen im Hintergrund nicht nur die Animation eines windschnittigen Autos, sondern auch die eines sportlichen Fahrrads und einer schnittigen Bahn. Spätestens aber als Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die ersten Worte seiner Begrüßungsrede sprach, wurde klar: Hier geht’s ums Auto, besonders um den Verbrenner.
„Ganz München ist im Autofieber“, schwärmte Söder. „Die Menschen wollen nach wie vor Auto“, und: „Auto ist das Herzstück der deutschen Industrie“. Er sei „totaler Fan der Elektromobilität“, sagte Söder – holte dann aber zu einer flammenden Rede für eine Abschaffung des EU-Verbrennerverbots im Jahr 2035 aus.
Der Hintergrund: Aktuell gilt in der Europäischen Union, dass ab 2035 keine Neuwagen mehr verkauft werden dürfen, die mit fossilem Diesel oder Benzin fahren. Bis 2035 sollen die Autobauer die durchschnittlichen CO2-Emissionen ihrer neuzugelassenen Autos schrittweise senken, um klimaschädliche Emissionen im Verkehr herunterzuschrauben. Wenn die Hersteller die Vorgaben – die sogenannten Flottengrenzwerte – verfehlen, drohen Strafzahlungen. Pkw, Lkw und Busse mit Verbrennermotor verursachen derzeit rund 20 Prozent des Treibhausgasausstoßes in der EU.
Industrie und Konservative wollen Verbot aufweichen
Die EU-Regelung soll mehr E-Autos auf die Straße bringen. Und obwohl immer mehr Europäer:innen Stromer kaufen, wollen sich die deutschen Autokonzerne nicht vom Diesel- und Benzinmotor abwenden. Die Branche beklagt sinkende Gewinne. Zollstreitigkeiten mit den USA und China, die elektrische Konkurrenz aus der Volksrepublik und niedrigere Verkaufszahlen belastet die Autoindustrie weiter.
Schon im Vorfeld der IAA häuften sich Forderungen der Konzerne und konservativer Parteien, das Verbrennerverbot ab 2035 aufzuweichen. Das dürfte auch am Freitag in Brüssel beim Autogipfel unter Leitung der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Thema sein.
„Die Strafzahlungen müssen weg“, betonte Söder am Dienstag in München. Auch Hildegard Müller, Präsidentin des IAA-Ausrichters Verband der Automobilindustrie (VDA), forderte „Kurskorrektur“ und Realitätscheck“, die CO2-Flottengrenzwerte müssten angepasst werden.
Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), nach Müller am Rednerpult, unterstützte die Forderungen der Autolobby: „Wir halten am Umstieg auf Elektromobilität grundsätzlich natürlich fest, aber wir brauchen mehr Flexibilität in der Regulierung.“ Er sprach sich auch gegen eine „einseitige politische Festlegung auf bestimmte Technologien“ aus, also das batterieelektrische Auto. Ein Besucher im Publikum freute sich lautstark, dass in der Regierung endlich wieder ein autofreundlicher Ton herrsche.
Unternehmen aus der E-Branche für Verbrennerverbot
Allerdings sehen das längst nicht alle so. „Die deutsche Automobilindustrie wird auf der IAA spannende, neue Elektroautos präsentieren“, sagte Isabel Cademartori, verkehrspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, der taz. „Umso falscher ist es daher, im Halbjahrestakt die Beschlüsse zum Verbrenner-Aus infrage zu stellen.“ Stattdessen brauche es bessere Ladeinfrastruktur, faire Strompreise an den Ladesäulen und bezahlbare E-Auto-Modelle.
Vertreter der Autoindustrie verteidigen das Verbrennerverbot ebenfalls. 150 Unternehmen aus der E-Autobranche schrieben am Montagabend in einem offenen Brief an die EU: Würde das Verbrenner-Aus aufgeschoben, drohten der europäischen Industrie Nachteile im Vergleich zur internationalen Konkurrenz. Autokonzerne wie Volvo, Batteriehersteller, Ladesäulenbetreiber und Energieversorger unterzeichneten den Brief. Am Stand von Volvo in einer der IAA-Messehallen prangen in Leuchtschrift die englischen Worte für: „Wir glauben, die Zukunft ist elektrisch.“ Eine Abschaffung des Verbrennerverbots sei nicht mit den Werten von Volvo vereinbar, betonte ein Konzernsprecher im Gespräch mit der taz.
Im Münchner Stadtgebiet protestierten Klimaaktivist:innen derweil gegen den Autofokus der IAA. Einige Mitglieder des „Widerstands-Kollektivs“ blockierten kurzzeitig die Zufahrtsstraße zu einem Ausstellungsraum von Mercedes-Benz. Neun Aktivist:innen von Extinction Rebellion gingen im Messesee baden.
„Die Klimakrise tötet Menschen und an der IAA werden immer größere Autos zelebriert“, sagte ein Sprecher. Um Menschenleben zu retten, brauche es eine echte Mobilitätswende.
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