Eröffnung der C/O-Berlin-Galerie: Liebeserklärungen von gestern

Auferstanden aus Ruinen: Will McBride als Chronist der Nachkriegsjahre mit „Ich war verliebt in diese Stadt“ im C/O Berlin.

Will McBride vor einem seiner Fotos während der Wiedereröffnung der Galerie C/O Berlin. Bild: dpa

Körperlich hinfällig wirkte Will McBride zwar bei der Eröffnung der C/O Berlin Galerie im Amerika-Haus. Das massive Medieninteresse an seiner Ausstellung mit Berlinfotos aus den Fifties und Sixties schien den 83-jährigen Fotografen buchstäblich umzuhauen. Gestützt auf einen Krückstock, fühlte sich McBride aber dann trotzdem in der Lage, kräftig auszuteilen. Gründlich durchkreuzte der Berlinveteran die Erwartungen aller, die von ihm Liebeserklärungen an seine Wahlheimat erwartet hatten. Saturiert sei die Stadt geworden, „nicht mehr aufregend, im Gegensatz zu früher“.

Das saß. Und McBride lief, nachdem er die Luft aus der Berlineuphorie rausgelassen hatte, die sich im Amerika-Haus zusammengebraut hatte, milde amüsiert durch seine eigene Ausstellung, die bereits im Titel Distanz ausdrückt: „Ich war verliebt in diese Stadt“, unter diesem Motto versammelt C/O Berlin eine Auswahl früher Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus einer sich aus der Zerstörung wieder aufrichtenden Metropole.

Trümmerfrauen in Moabit, Kinder, die in den Ruinen Charlottenburgs spielen: Die Schau beginnt mit schonungslosen Nahaufnahmen aus den Nachkriegsjahren. Der amerikanische Chronist, der nach seiner Armeezeit in Würzburg zum Studieren nach Berlin ging, lässt sich zunächst erschüttern vom Elend. Man sieht, durch scharfe Kontraste dramatisch akzentuiert, Betrunkene, die hingestreckt auf dem Trottoir liegen und schwer schuftende Straßenarbeiter. Aber weil Will McBride auch schon vor seinem berühmten Aufklärungsbuch „Zeig mal!“ ein Chronist der Jugend war, folgen schnell Szenen des Aufbruchs.

Späte Fünfziger, frühe Sechziger: Eine Stadt erfindet sich neu. Kino-Plakate am Ku’damm, der Schauspieler Horst Buchholz samt Gattin im Porträt, ein Schallplattenladen mit popkulturhungrigen Teenies. Und Jugend, überall Jugend: ausgelassen spielend am Strandbad Wannsee, halbstark posierend mit Motorrädern, linkisch mit den Eltern auf dem Weg zur Erstkommunion im VW-Käfer.

McBride erweist sich hier als Vorläufer radikal subjektiver Fotografen wie Nan Goldin oder Wolfgang Tillmans – er zeigt von Nahem, was ihn fasziniert oder empört. Egal, ob das ein Straßenbahnfahrer in der Tauentzienstraße ist oder der „Riverboat Shuffle“, ein Jazzfest auf der Spree. Die Bilder der übermütig in die Kamera winkenden Kids – die Mädchen in übergroßen Wollpullis, die Jungs im Parka oder schmalen Anzug – bezeichnet McBride heute selbst als seine wichtigsten Aufnahmen.

Berührender freilich ist sein Blick auf die Berliner Mauer: Das Bild „Babyzeigen an der Mauer“ von 1962 lässt den Betrachter die Verzweiflung einer Bevölkerung spüren, die ein Jahr zuvor geteilt worden war. Und nun die Neugeborenen über die Mauer heben muss, um sie der Verwandtschaft „drüben“ zeigen zu können. Fast noch brutaler: die Erwachsenen, die am Mauerausguck voller Sehnsucht auf einen Spielplatz schauen – wo die Kinder so beschäftigt sind, dass keines das Winken erwidert. Schade, dass McBride kaum noch in der Stadt fotografiert: Sein Blick auf das Neukölln oder Marzahn von heute wäre bestimmt aufschlussreich. NINA APIN

■ Will McBride: „Ich war in diese Stadt verliebt“, C/O Berlin, Hardenbergstr. 22–24, bis 16. 1. 2015, tgl. 11–20 Uhr, 10/5 Euro
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