Erstaunliche Frauenfußballwoche: Zwischen Euphorie und Depression
Im deutschen Fußball der Frauen kann es derzeit ganz schnell finster werden, genauso schnell wird es aber wieder hell. Es sind bemerkenswerte Tage.

E s ist seit geraumer Zeit etwas schräg. Von verdammt guten Gefühlen ist einerseits im deutschen Fußball der Frauen immer wieder zu hören, wenn die Zukunft in den Blick genommen wird. Europameisterinnen werden? Warum nicht? Andererseits wird nach Enttäuschungen mächtig Alarm geschlagen, dass es so eigentlich nun wirklich mit allem nicht mehr weitergehen kann angesichts des Rückstands zu anderen Nationen.
So absurd wild und schnell wie in der zurückliegenden Woche ist das Pendel wohl aber noch nicht hin und her geschlagen. Einen finstereren Eindruck als vergangenen Sonntag hätte die deutsche Eliteliga wohl kaum vermitteln können, als die Partie zwischen dem 1. FC Köln und Bayer Leverkusen wegen eines ausgefallenen Flutlichtmasts nach 41 Minuten abgebrochen werden musste. Die Liste, woran es den deutschen Profifußballerinnen fehlt, ist lang. Dass sogar einmal Licht dazu zählen würde, hätten nur wenige für möglich gehalten.
Zum Glück konnte man am Tag darauf schon über den Auftakt der Champions League reden, deren neues Format gleich ein besonders exquisites Aufeinandertreffen zwischen dem FC Barcelona und dem FC Bayern München möglich machte. Bundestrainer Wück lobte den Deutschen Meister fast in den Himmel.
Der Klub habe qualitativ zur internationalen Spitze aufgeholt, könne das Halbfinale erreichen, und dann sei alles möglich. Auch Bayern-Stürmerin Klara Bühl versicherte: „Wir fahren da mit einem sehr, sehr guten Gefühl hin …“ Das war durchaus verständlich, hatte das Team doch in fünf Bundesligaspielen nicht einen Gegentreffer hinnehmen müssen.
FC Bayern braucht starkes Fernglas
Umso desillusionierender wirkte die 1:7-Niederlage in Barcelona. Nicht im Geringsten hoffnungsspendend war auch Bühls Statement, alle hätten ihr Bestes gegeben. Wann schien der FC Bayern letztmals so weit entfernt zu sein von der europäischen Spitze? Oder um mit Uli Hoeneß zu sprechen: Wann mussten die Münchnerinnen letztmals in der Tabelle nach Barça mit so einem starken Fernglas Ausschau halten?
Bundestrainer Christian Wück drückte einen Tag später die Stimmung weiter nach unten, als er die fehlenden Einsatzzeiten seiner Nationalspielerinnen bei den Vereinen beklagte. Insbesondere seine Kolleginnen und Kollegen in der Bundesliga nahm er in die Pflicht, mehr Mut bei den jungen Fußballerinnen zu mehr deutschen Minuten zu zeigen.
Dass Klubtrainer:innen im Sinne der Professionalisierung dazu angehalten sind, die besten und nicht die deutschen Fußballerinnen zu fördern, kam Wück offenbar gar nicht in den Sinn. Das Timing war zudem etwas unglücklich. Beim FC Bayern hat man just andere Sorgen.
Mitten in diese tiefe Depression hinein trumpfte der VfL Wolfsburg auf. Von dem 4:0-Erfolg gegen Paris St.-Germain schienen die Akteurinnen aus Wolfsburg am meisten überrascht. „Wenn mir das vorher jemand gesagt hätte, dann hätte ich es sofort unterschrieben – aber nicht geglaubt“, bekannte Alexandra Popp. Die Höhe des Ergebnisses spiegelte zwar nicht den knapperen Spielverlauf wider, aber das VfL-Team wird nun vor den nächsten Aufgaben gewiss ein sehr gutes Gefühl haben.
Im Land der achtmaligen Europameisterinnen und zweimaligen Weltmeisterinnen ist die Neigung da, im Zweifelsfall wider besseres Wissen einfach am Glauben an die eigene Größe festzuhalten. So hat man in München wenig für die Idee übrig, nach der Niederlage in Barcelona die Ziele zu korrigieren. Die Champions League sei ein dynamischer Wettbewerb, erklärte Bayerns Direktorin für Frauenfußball, Bianca Reh. Es könne sich noch viel verändern.
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