Erster Saisonsieg für den HSV: Schmerzhafte Anpassung
Dem Hamburger SV gelingt gegen Heidenheim mit etwas Glück der ersehnte erste Saisonsieg. Die Eingewöhnungsphase in die erste Liga ist kompliziert.
taz | Es hat gedauert. Aber der 2:1-Erfolg am vierten Spieltag gegen den 1. FC Heidenheim vor stimmungsvoller Kulisse im ausverkauften Volkspark gab einen Fingerzeig, dass der Hamburger SV doch mit der notwendigen Widerstandskraft ausgestattet ist, um wieder angesehenes Mitglied der Beletage zu sein. Den letzten Bundesligasieg feierte der HSV im Mai 2018, in dieser Saison war dem Aufsteiger dieses Erfolgserlebnis bis Samstagabend versagt, weil Trainer Merlin Polzin den Stil des Teams der Liga anpassen musste – mit neuen Spielern.
Es ist also eine inhaltliche und personelle Rosskur, die Polzin dem Kader verordnet hat: „Die Mannschaft war sehr kritisch mit sich. Wir haben uns in die Augen geschaut und gesagt, für welchen Fußball wir stehen wollen. Das war eine Arbeitsleistung, das war ein Arbeitssieg“, sagte Polzin. Er verwies auch darauf, wie ersehnt der klassische Anpfiff am Samstag um 15.30 Uhr gewesen sei: „Das hatten wir viel zu lange nicht mehr.“
Nüchtern betrachtet war es ein glücklicher Erfolg gegen zunächst bessere Heidenheimer, aus der Tiefe des HSV gesehen war es ein beinahe historisches 2:1, das den ersten Sieg in der Bundesliga seit Mai 2018 bedeutete – entsprechend groß waren Jubel und Erleichterung im Volkspark an einem Nachmittag, an dem die Menschen hier für positive Vibes sorgten und die Mannschaft durch eine lange Nachspielzeit trugen.
Die Achse, die dem Hamburger SV ein weiteres Jahr in der Bundesliga sichern soll, scheint nun gefunden. Daniel Heuer Fernandes im Tor, Luka Vuskovic in der Innenverteidigung und Fábio Vieira im Mittelfeld könnten die Kernspieler werden, um die sich der Rest der Gruppe schart und die Herausforderungen des Oberhauses annimmt.
Faust gegen den Pfosten
Klar ist, dass dieser HSV immer die Resilienz und Energie vom Samstag benötigen wird, um zu punkten – beides war am trefflichsten vom Modellathleten Luka Vuskovic verkörpert, der nach einer misslungenen Aktion so hart mit der Faust gegen den Pfosten schlug, dass sie verbunden werden musste. Mit selbstverletzendem Verhalten ist nicht zu spaßen: „Ich denke, dass zwei Finger gebrochen sind“, sagte „Babyface“ Vuskovic, der im Laufe des Nachmittags nicht nur die Schmerzen besiegte.
Sich langsam in die Gefilde der Liga robben, Kleinigkeiten verbessern, dann punkten oder besser: erst einmal die Mannschaft für die kommenden Monate finden, dann loslegen – so war der Plan, der allerdings durch das 0:2 gegen den FC St. Pauli und das 0:5 beim FC Bayern München durchkreuzt wurde.
So wurde das Chiffre „Heidenheim“ schon früh zu einem Alles- oder-Nichts-Spiel – und zunächst sah es nach wenig aus. Die Mannschaft von Frank Schmidt drückte, kam zu Möglichkeiten, scheiterte aber an Torwart Daniel Heuer Fernandes. Der, Integrationsfigur des Aufstieges, 32 Jahre alt, schon mal in Hamburg aussortiert und zurückgekommen, war gar nicht glücklich, dass in Daniel Peretz ein namhafter Keeper vom FC Bayern geholt worden war. Musste Polzin die tragfähige Hierarchie derart disruptiv aufbrechen? Wie auch immer, Heuer Fernandes spielte, hielt schon in München ordentlich und nun den Sieg fest.
Vor ihm verteidigt der 18-jährige Luka Vuskovic, spät ausgeliehen von Tottenham. Als Bruder des gesperrten Mario steht Luka für eine besondere Herznote; er spielt quasi für zwei. Das war gegen Heidenheim selten fehlerfrei, aber voller Wucht und Willen – sein 1:0 in der 42. Minute war der erste HSV-Treffer dieser Spielzeit, mehr noch, er gab den Glauben ans Können zurück. Dabei hätte der unsortierte HSV da schon aussichtslos zurückliegen können.
Während Heuer Fernandes weiterhin Sicherheit ausstrahlte und Vuskovic wild verteidigte, sorgte im Mittelfeld Fábio Vieira für Struktur. Ebenfalls erst spät vom FC Arsenal gekommen, wirkt der Portugiese wie schon auf Bundesliga-Niveau angekommen: Dem 25-Jährigen den Ball zu geben, ist ein guter Plan, zumal am Samstag, als Polzin ihn von außen in die Mitte versetzte. Nach einer schönen Stafette kam in der 59. Minute Rayan Philippe an den Ball und lenkte ihn zum 2:0 ins Heidenheimer Tor. Philippe war einer von sechs Neuen, die sich am Samstag zeigen durften.
In der nun besten Phase vergab der spielfreudige HSV Chancen zum dritten Treffer, was sich rächte, als Adam Kölle den Ball in der Nachspielzeit abfälschte und es 2:1 stand. Neun Minuten obendrauf gab es, ehe sich dieser herbeigesehnte Erfolg realisieren ließ – am Sonntag in Berlin folgt schon die nächste Partie im „must win“-Format.
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