Erziehungsforscher über Kita-Ausbau: „Kitas müssen ertragen werden“

Gute Kitas kosten Geld, sagt Nils Diederich. Von Kurzschulungen für Arbeitslose hält der Forscher nichts, von Einrichtungen in schicken Villenvierteln viel.

Nicht jeder möchte so viele Kinder-Gummistiefel in seiner Nachbarschaft stehen haben. Bild: dpa

taz: Herr Diederich, um den Kitaausbau zu beschleunigen, gibt es die Idee größerer Kitagruppen. Für wie sinnvoll halten Sie das?

Nils Diederich: Das kommt auf den Betreuungsschlüssel an. Eine größere Gruppe kann sinnvoll sein, aber nur mit mehreren BetreuerInnen. Die könnten dann innerhalb der Gruppe differenziert und individuell auf Kinder mit unterschiedlichem Entwicklungsstand eingehen.

Wie viele Kinder sollte eine Person optimal betreuen?

Bei unter dreijährigen Kindern sind zehn bis zwölf Kinder das Maximum. Die ErzieherInnen spielen ja nicht nur mit den Kindern und regen sie zu Beschäftigungen an. Sie müssen manche auch noch windeln und sie aufs Töpfchen setzen. Das erfordert Zeit und Kraft.

Es gibt nicht nur zu wenige Kitaplätze, sondern auch zu wenige ErzieherInnen. Wie finden Sie Frau Schröders Idee, Tagesmütter und -väter finanziell zu unterstützen?

Die Idee ist gut. Aber ich halte sie nur mit erheblichen Investitionen für machbar, beispielsweise für eine fundierte Ausbildung. Es reicht nicht zu sagen: Da gibt es Mütter, die haben schon ihre eigenen Kinder großgezogen. Also können sie das ohne Weiteres auch noch für andere Kinder mit übernehmen. Personen, die Kinder pädagogisch betreuen, brauchen Erziehungskenntnisse und -fähigkeiten.

78, ist Politikwissenschaftler und Professor für Empirische Politische Soziologie an der Freien Universität Berlin. Er ist Experte für frühkindliche Erziehung.

Ebenso gibt es die Idee, Arbeitslose in Schnellkursen zu ErzieherInnen umzuschulen.

Auch hier gilt: Kurzschulungen reichen nicht. Die befähigen allemal für eine Hilfstätigkeit.

Könnten Hilfskräfte in einer Übergangsphase eingesetzt werden, bis es genügend ErzieherInnen gibt?

Darüber ließe sich nachdenken. Aber das kann man nicht gesetzlich regeln, das muss vor Ort flexibel entschieden werden. So könnten die Hilfskräfte in den Gruppen an der Seite erfahrener ErzieherInnen arbeiten. Parallel dazu könnten sie eine Fachausbildung absolvieren – in einer Art dualer Ausbildung.

So könnte man auch größere Gruppen bilden?

Das wäre möglich.

Sollten sich im Gegenzug auch Eltern, die ja vor allem den Kitaausbau fordern, in ihren Forderungen etwas zurücknehmen?

Ja. Aber das ist immer schwierig. Ob Eltern beispielsweise größere Gruppen akzeptieren, hängt in erster Linie von ihrem Vertrauensverhältnis zur Kita ab. Eltern bilden sich mitunter zu schnell Vorurteile, wenn etwas nicht gleich so läuft, wie sie es gern hätten. Da wird dann gleich alles hinterfragt anstatt zu schauen, ob die Kritik gerechtfertigt ist. An dieser Stelle sind wiederum die Kitas gefordert, den Eltern glaubhaft zu versichern, dass ihr Kind in der Einrichtung gut aufgehoben ist.

Inzwischen steigt die Zahl von AnwohnerInnen, die Kitas in ihrer Nachbarschaft nicht haben wollen.

Es gibt klare Gerichtsurteile, die Kinderkrach nicht als störenden Lärm definieren. Auch in einem Villengebiet darf es also Kitas geben, die müssen ertragen werden – ganz im Sinne der Kinder.

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