Es trotzdem tun: „Weit besser als nichts“

Der Hamburger Arzt Stefan Schmiedel hat in Sierra Leone Ebola-Kranke behandelt. Er konnte ihnen nicht so helfen, wie er es gewollt hätte. Zurückkehren will er dennoch.

Es ist schwierig, in der Schutzkleidung Patientenkontakt herzustellen: Ärzte im Ebola-Einsatz. Bild: dpa

taz: Mit welcher Hoffnung sind Sie nach Sierra Leone gereist, Herr Schmiedel?

Stefan Schmiedel: Ich habe gedacht, dass ich das tun könnte, was ich am besten kann: Individualmedizin. Ich dachte, dass jemand, der langjährige Erfahrung im Umgang mit Infektions-Patienten hat, die Therapie sehr verbessern könnte.

Hat sich das bewahrheitet?

Vor Ort hat sich das aus verschiedenen Gründen anders dargestellt. In der Schutzkleidung, die man zum eigenen Schutz anziehen muss, war es so kompliziert zu arbeiten, dass man wenig Patientenkontakt herstellen konnte: sie konnten einen kaum sehen. Es gab erhebliche Sprachbarrieren, kaum jemand sprach Englisch.

Und keine Dolmetscher?

Deren Fähigkeiten waren stark eingeschränkt. Und man muss auch sagen: wir hatten es mit ganz einfachen Menschen zu tun, die sehr abgeschnitten lebten. Keiner konnte lesen, schreiben oder die Uhr lesen. Sie waren plötzlich konfrontiert mit europäischen Helfern in Hightech-Schutzausrüstung, die immer fern geblieben sind.

Auch aus Angst?

Ich glaube, man muss zwischen den ausländischen und den einheimischen Helfern unterscheiden. Bei den ausländischen gab es die eher nicht – sonst wären sie nicht gekommen, oder man hat sie rasch wieder nach Hause geschickt. Anders war es beim lokalen Personal – dem man größte Hochachtung zollen muss.

52, ist ärztlicher Leiter der Bernhard-Nocht-Klinik für Tropenmedizin in Hamburg. Mit Ärzte ohne Grenzen war er in Sierra Leone.

Was sind das für Leute?

Es sind Menschen, die seit Monaten von Morgen bis Abend unglaublich schwere Arbeit tun, unter Bedingungen, die sehr viel schlechter sind als die der ausländischen Experten. Sie werden dafür in ihren Familien und Dörfern ausgegrenzt – und trotzdem kommen sie zur Arbeit. Bei diesen Leuten kommt es immer wieder zu Infektionen, was dort große Angst macht.

Was für Folgen hatte es, dass Sie kaum mit den Patienten kommunizieren konnten?

Was wir unter Medizin verstehen, hat viel mit persönlicher Zuwendung zu tun. Das ist unter diesen Umständen kaum möglich, vielleicht gar nicht möglich. Das ist schwer auszuhalten.

Eine Tropenmedizinerin sagte mir, einigen der Ebola-Helfer sei es nicht bewusst, dass sie die Menschen nicht heilen werden, sondern beim Sterben begleiten. Wie erging es Ihnen damit?

Ich teile die Einschätzung, dass man mit einer medizinischen Behandlung die Sterblichkeit nicht deutlich beeinflussen kann. Andererseits kann man auch die Begleitung mit unterschiedlicher Qualität anbieten. Und das, was möglich war, war wenig. Aus meiner Sicht zu wenig.

Was hätten Sie konkret tun wollen?

Wir waren zu wenige Helfer, um diesen vielen Patienten angemessene Aufmerksamkeit zu schenken. Ich hätte mir gewünscht, dass man das, was medizinisch unter den einfachen Bedingungen möglich ist, auch tut. Es fehlen überall Köpfe: in der Behandlung, in der Aufklärung.

Hier ist Ebola schon wieder aus den Schlagzeilen verschwunden. Haben Sie Hoffnung, dass das Interesse wiederkehrt?

Das Medieninteresse hat ja wenig Wirkung gehabt. Die Verhältnisse wurden erst besser, als sich die Politik Monate später dafür interessieren musste, weil man befürchtete, dass der Ausbruch nach Europa und in die USA überschwappen könnte.

Und jetzt, wo man glaubt, dass es auf Afrika begrenzt bleibt, interessiert es kaum noch.

Ich hoffe, dass die Weltgemeinschaft interessiert bleibt. Ärzte ohne Grenzen alleine werden es nicht wuppen können.

Wie war Ihr Blick, als Sie in Ihre Hightech-Klinik in Hamburg zurückkamen?

Es sind zwei Welten, die nichts miteinander zu tun haben. Die Patienten in Sierra Leone dämmern ihrem Ende entgegen, wir haben dem wenig entgegenzusetzen. Sie verstehen nicht, was ihnen passiert ist und sie sind so geschwächt, dass sie sich nicht alleine im Bett umdrehen können. Wir können die Schmerzen bekämpfen, Essen und Trinken geben – das war es im Wesentlichen. Unsere Patienten hier können ihr Schicksal mit in die Hand nehmen.

Werden Sie noch einmal nach Sierra Leona gehen?

Ich möchte noch einmal hinfahren. Bei aller Skepsis diesen Einsätzen gegenüber: man tut da etwas Wichtiges. Man setzt ein Zeichen, dass man es nicht hinnehmen kann und natürlich hilft es den Leuten, wenn jemand kommt und für ein paar Wochen mitarbeitet. Die lokalen Helfer motiviert das sehr und natürlich profitieren die Patienten davon. Sie sind sehr dankbar und es ist weit besser als nichts.

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