Essen für Flüchtlinge: Almosen doch nicht nur für Deutsche

Eine Mitarbeiterin der Tafel Bremen hat über einen Aufnahmestopp von Flüchtlingen an den Ausgabestellen berichtet. Der Vorstand dementiert dies.

Bei der Bremer Tafel wird das Brot nicht immer mit allen geteilt, so der Vorwurf: Flüchtlinge kommen aber nur noch vereinzelt. Bild: dpa

BREMEN taz | Verteilt die Bremer Tafel Almosen zuerst an Deutsche? Unter der Berufung auf eine Mitarbeiterin berichtete die dpa, dass die Tafel bis zum Jahresende einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge verhängt habe. Der Vorstand der Tafel dementiert das.

Wegen des erhöhten Andrangs hätten seine Mitarbeiter mit der Leitung der Flüchtlings-Erstunterkunft in Bremen gesprochen, sagt Oskar Splettstößer, der Vorsitzende der Bremer Tafel. Dabei sei vereinbart worden, dass die Flüchtlinge von der Tafel keine Unterstützung erhielten, da sie in der Unterkunft voll versorgt würden. Seitdem den Asylbewerbern dort erklärt worden sei, dass es bei der Tafel für sie keine Unterstützung gebe, habe sich die Situation beruhigt, sagt Splettstößer.

Die Tafel verteilt Lebensmittelspenden von Supermärkten und Großhändlern an Bedürftige. Dabei sei es in jüngster Zeit zu Konflikten zwischen „alten und neuen Kunden“ gekommen, sagt der Landesvorstand der Tafeln Niedersachsens und Bremens, Karl-Heinz Krüger. Es gebe eine „erkennbar steigende Tendenz von Flüchtlingen“ an den Ausgabestellen, sagte er der dpa. Wegen sprachlicher Barrieren sei es nicht einfach, den Flüchtlingen zu erklären, dass die Tafeln keine staatlichen Einrichtungen seien, in denen Ansprüche geltend gemacht werden könnten. Der taz bestätigte er seine Aussagen.

Organisationen wie das Kritische Aktionsbündnis 20 Jahre Tafeln oder der Deutsche Caritasverband haben folgende Kritik am Konzept der Tafel:

Die Tafeln sind ungeeignet, strukturelle und individuelle Ursachen von Armut zu bekämpfen.

Die Tafeln tragen dazu bei, soziale Ungleichheiten zu verschärfen, in dem die eigentliche Hilfe in der Not als institutionalisierte Dauereinrichtungen und Lückenbüßer für sozialstaatliche Sicherung missbraucht wird.

Die Tafeln werten es als Erfolg, dass immer mehr Menschen ihre Dienste in Anspruch nehmen. Dabei sei genau das ein Symbol mangelhafter Armutsbekämpfung.

Im Leitsatz der Tafeln heißt es: „Die Tafeln helfen allen Menschen, die der Hilfe bedürfen.“ Offiziell ist dieses Bedürfnis allerdings nachweispflichtig: Um eine Berechtigungskarte für die Lebensmittelausgabe zu erhalten, benötigt man beispielsweise eine Bescheinigung über Hartz IV. Über diesen Weg seien allein seit August 180 Asylbewerber und ihre Familien bei der Bremer Tafel aufgenommen worden, sagt Splettstößer.

Wenn überhaupt, gebe es in Notlagen einen generellen Aufnahmestopp. Und selbst dann würde niemand ohne Lebensmittel nach Hause geschickt, versichert der 80-jährige Ehrenamtler. Wie der dpa-Bericht zustande gekommen sei, könne er sich nur mit der Formel „stille Post“ erklären. Die dpa betont allerdings die Richtigkeit der Aussage.

Wie Splettstößer sagt, kommen die Flüchtlinge jetzt nur noch vereinzelt. Spricht es nicht für deren Bedürftigkeit, wenn Flüchtlinge an den Ausgabestellen Lebensmittel verlangen? „Viele denken, sie seien bedürftig“, antwortet Splettstößer. „Das heißt nicht, dass sie es tatsächlich sind. Wir sind verpflichtet, das zu überprüfen.“

Zudem verfügten die Flüchtlinge in der Erstunterbringung mangels einer Kochstelle nicht über die Möglichkeit, selbst Essen zuzubereiten. Daher hätten sie ohnehin keine Verwendungsmöglichkeit für Lebensmittel an der Ausgabestelle.

Auch beim Bundesverband der Tafel wiegelt man ab: „Es wäre falsch, die Tafel jetzt in eine rassistische Ecke zu drängen“, sagt dessen Sprecherin Stefanie Bresgott. Auch sie sagt nach einer internen Prüfung, es habe lediglich Absprachen mit dem Flüchtlingsheim vor Ort gegeben, „um die Kapazitäten der Tafeln nicht weiter zu belasten“.

In den Zentralen Erstaufnahmestellen für Flüchtlinge (Zast) wie der Unterkunft in Bremen werden Asylbewerber nach ihrem Antrag maximal drei Monate untergebracht. Sie sollen dort voll versorgt werden. Flüchtlingsinitiativen kritisieren jedoch, dass die Verpflegung in den Erstaufnahmeeinrichtungen oft unzureichend bis unzumutbar sei.

Angesichts der prekären Versorgungslage stellt sich die Frage, ob hier durch Almosen geleistet wird, was eigentlich Sache des Staates wäre. Aus Sicht des Soziologen Stefan Selke verbessern die mildtätigen Ausgabestellen zwar grundsätzlich die Lage von Armen. Damit entlasteten sie aber – wenn auch ungewollt – die Politik von der Aufgabe, die Armut nachhaltig zu bekämpfen.

Ein stärkeres Engagement des Staates fordert auch der Landesvorstand der Tafeln: „Wir können nicht alles tun und vor allem den Staat nicht aus seiner Verantwortung entlassen“, sagt Krüger.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.