Esso-Areal in neuem Gewand: Unsichtbarkeit, zwölf Meter hoch

Bis am Spielbudenplatz gebaut wird, dauert es. Jetzt hat der Investor einen ganz besonderen Bauzaun errichten lassen, mit Kunst drauf – und Werbung.

Den Bezirksamtsleiter freut die Kunst, Aktivisten wittern Investorenprofit: Zaun am Spielbudenplatz. Bild: ksch

HAMBURG taz | Von St. Paulis vielleicht prominentester Brache ist nichts zu sehen: Eine zwölf Meter hohe Wand aus Baugerüst und Plane verdeckt die Baustelle auf dem ehemaligen Esso-Areal zum Spielbudenplatz hin. Von den insgesamt 1.400 Quadratmetern Wand wird ein Teil für Werbung benutzt – und ein anderer für Kunst: Im Rahmen des Reeperbahn-Festivals, das gestern begonnen hat, bemalen Künstler 500 Quadratmeter. Rechts und links davon sollen jeweils 100 Quadratmeter Werbung diese Kunst rahmen. Auch zur Taubenstraße hin sollen 100 Quadratmeter Wand zur Werbefläche werden.

„Schall- und Sichtschutzmauer“ nennt die Bayerische Hausbau GmbH, der das Grundstück gehört, die Wand aus Stangen und Planen. Errichtet wurde die auf Wunsch des Bezirksamts Mitte. Da mit der Neubebauung des Areals nicht vor 2017 zu rechnen sei, habe man überlegt, was man mit der Brache machen könne, sagt Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD). Man habe sich dann für eine künstlerische Gestaltung entschieden: „Dass wir so eine riesige Fläche an so einer prominenten Fläche für Streetart bekommen haben, ist einmalig.“

Schätzungen zufolge beläuft sich der Wert jeder der drei Werbeflächen auf 40.000 bis 60.000 Euro Miete pro Monat. Das macht auf ein Jahr gerechnet rund 1,8 Millionen Euro Einnahmen für die Bayerische Hausbau.

Durch die Werbung werde die Wand und ihre künstlerische Bespielung refinanziert, argumentiert hingegen das Immobilienunternehmen. „Rundum gelungen“ nennt denn auch der Kommunikationsbeauftragte der Bayerischen Hausbau, Bernhard Taubenberger, die präsentierte Lösung – „auch wenn sie im kruden Verständnis einer Handvoll Stadtteilaktivisten Artwashing ist“.

Gemeint sein dürfte damit die Esso-Initiative, die sich für die Interessen der ehemaligen BewohnerInnen der abgerissenen Häuser einsetzt, aber auch darüber hinaus gegen Verdrängungs- und Aufwertungsprozesse auf St. Pauli kämpft. In einer Pressemitteilung kritisierten die Aktivisten jetzt „den Alleingang des Senats“ – Betroffene seien nicht beteiligt, der Stadtteil sei nicht gehört worden. Zudem dränge sich die Vermutung auf, hier werde ein Konfliktort unsichtbar gemacht. Die Rede ist schließlich auch von „profitabler Vermarktung und Artwashing für die Bayerische Hausbau“.

Als „Artwashing“ wird die Instrumentalisierung von Kunst zur Aufwertung von etwas bezeichnet – in diesem Fall wäre das wohl das Image der Bayerischen Hausbau, das wohl zumindest im Stadtteil eine Politur gebrauchen könnte.

Kuratiert wird die Kunstfläche vom Künstlernetzwerk „Urbanshit“. Drei der Beteiligten haben ihre Arbeiten bereits fertiggestellt, unter ihnen der Hamburger Street Artist 1010. „Gentrifizierung ist ein globales Problem“, antwortet er auf die Frage, ob er durch seine Kunst nicht vielleicht zu Gentrifizierung und Verdrängung beitrage. „Aber diejenigen, die Häuser abreißen und sie durch Stahl- und Glaskomplexe ersetzen, sind schließlich nicht wir. Mein künstlerisches Statement dazu kann sich jeder selbst ansehen und interpretieren.“

KATHARINA SCHIPKOWSKI

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