Europäische Asylpolitik: Ein lausiger Kompromiss

Ein europaweiter Kompromiss zum Asylrecht ist greifbar. Die Mindeststandards lassen manche Fragen offen. Es kommt sogar zu Verschlechterungen.

Wie Straftäter behandelt: Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) besichtigt die „Aufnahmeeinrichtung für Asylsuchende“ in Schönefeld. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | In Zukunft werden in der gesamten Europäischen Union die gleichen Regeln bei der Aufnahme von Asylbewerbern gelten. Zumindest auf dem Papier. Der zuständige Ausschuss im Europäischen Parlament hat am Mittwoch einem Kompromissvorschlag der Mitgliedsstaaten zugestimmt – nach monatelangen Verhandlungen. Nun ist das EU-Asylpaket komplett.

„Mit diesen Mindestnormen können wir einen angemessenen Lebensstandard für Asylsuchende in der gesamten EU gewährleisten. Die Flucht ist somit kein Roulettespiel mehr“, sagt die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel.

Bisher gelten von Land zu Land sehr unterschiedliche Standards. Außerdem müssen die EU-Staaten den Asylbewerbern in Zukunft spätestens neun Monate nach ihrer Antragstellung Zugang zum Arbeitsmarkt gewähren. Bislang war dies erst nach einem Jahr Pflicht.

Schutz vor Menschenhandel

Das klingt gut, aber die Richtlinie lässt viele Fragen offen und in einigen Punkten verschlechtert sich die Situation von Asylbewerbern. „Die Standards sind ein Armutszeugnis. Asylbewerber können danach willkürlich inhaftiert werden. Menschen, die hier Schutz suchen, werden wie Straftäter behandelt“, sagt die Grünen-EU-Politikerin Ska Keller. Asylbewerber dürfen festgenommen werden, zum Beispiel wegen illegaler Einreise oder um ihre Identität zu prüfen. Auch unbegleitete Minderjährige dürfen festgehalten werden.

Die Mitgliedsstaaten behaupten, man könne die Jugendlichen nur so vor Menschenhandel oder anderem Missbrauch schützen. „Das hätte man auch anders machen können, zum Beispiel über Jugendheime. Das wäre die bessere Möglichkeit gewesen“, sagt Birgit Sippel. Eine Höchstgrenze für die Haft ist nicht vorgesehen.

Genauso unbefriedigend ist die neue Regelung für die sogenannte Dublin-II-Verordnung. Darin wird festgelegt, welches Land für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig ist. Bisher gilt: Der Antrag muss in dem Land gestellt werden, über das der Antragsteller eingereist ist. Die anderen Staaten können den Betroffenen in dieses Land zurückschicken.

Diese Regel wird auch in Zukunft beibehalten, obwohl die Zustände für Asylbewerber in Griechenland in der Vergangenheit immer wieder für Kritik gesorgt haben. Der Europäische Gerichtshof hatte eine Abschiebung in das Land sogar vorübergehend untersagt.

Neu ist nur ein Frühwarnsystem. In einem Fall wie bei den Aufständen in Nordafrika könnte die EU dann Unterstützung in die Länder schicken, die vom stärkeren Zustrom der Flüchtlinge betroffen sind. Außerdem könnte die Rückführung von Flüchtlingen zeitweise ausgesetzt werden.

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