Europäischer Aktionsplan für Demokratie: Werbung via Desinformation

Die EU-Kommission will mit einem Aktionsplan gegen Desinformation auf Tech-Plattformen vorgehen. Besser wäre ein neues Geschäftsmodell.

Die Kommissions-Vizepräsidentin Věra Jourová

Kommissions-Vizepräsidentin Věra Jourová will stärker gegen Desinformation im Netz vorgehen Foto: Kenzo Tribouillard/dpa

Mit ihrem Aktionsplan für Demokratie will die EU-Kommission Internetkonzerne wie Google und Facebook stärker in die Pflicht nehmen, gegen Desinformationen und Wahlenmanipulation vorzugehen. In den angekündigten Maßnahmen setzt die Kommission vor allem auf größere Transparenz durch die Anbieter*innen.

Doch an den grundlegenden Strukturen und damit den Geschäftsmodellen der Tech-Konzerne wird die Kommission allein mit dieser Forderung nicht viel verändern. Und eben in den Geschäftsmodellen, die Desinformation profitabel machen, liegt das Problem. Hier bleibt die Kommission schwammig.

Dabei zeigt der am Donnerstag von Kommissions-Vizepräsidentin Věra Jourová in Brüssel vorgestellte Aktionsplan, der Teil eines Gesetzespaketes ist, viele richtige Ansätze. Das Paket namens Digital Services Act, das Brüssel Mitte Dezember vorstellen will, soll die Digitalwirtschaft in der Europäischen Union neu regeln.

Höchste Zeit wird es, stammt doch die bisherige Gesetzesgrundlage, die e-commerce-Richtlinie, noch aus dem Jahr 2000. Damals hat Amazon nur Bücher verkauft, und Facebook gab es noch nicht. Bislang verpflichteten sich die Tech-Konzerne zu freiwilligen Maßnahmen in Kodizes, die aber nur wenig Wirkung zeigen. Die Ära der freiwilligen Selbstkontrolle, die bislang galt, gehe nun zu Ende, sagte Jourová. Ein neuer Verhaltenskodex gegen Desinformation soll entstehen.

Problem Algorithmen

Es gebe ein klares Bedürfnis nach mehr Transparenz bei politischer Werbung und Kommunikation, heißt es auf Seite vier des EU-Papiers. Deshalb sollen Tech-Unternehmen angemessene Werkzeuge für das Risikomanagement entwickeln, um abzuschätzen, welche Risiken die Algorithmen für die Allgemeinheit haben.

Vor allem will die Kommission sogenanntes Mikro-Targeting, also politische Werbung, die an einzelne Personen adressiert ist, einschränken. So sollen bisher veröffentlichte politische Werbeanzeigen aufbewahrt werden (Facebook hat nach massivem öffentlichen Druck 2018 bereits ein Anzeigenarchiv eingerichtet), welche Preise gezahlt wurden und weshalb einzelne Personen bestimmte Anzeigen überhaupt angezeigt bekommen. Die Kommission spricht weiter von einer Zusammenarbeit mit Aufsichtsbehörden und Regulierungskodizes, die zusammen mit den Tech-Plattformen entwickelt werden. So weit, so unkonkret.

Dann kommt die EU-Kommission zum Kern der Sache. Unternehmen wie Facebook sollen künftig Desinformationen nicht weiter verbreiten und mit Forscher*innen die eigenen Algorithmen untersuchen. Genau hier, an diesem Punkt, säße ein kräftiger Hebel der EU-Kommission genau richtig.

Algorithmen zur Prüfbehörde

Facebook aber wird beim Versuch, seine Algorithmen zu untersuchen, höchstwahrscheinlich auf sein Geschäftsgeheimnis verweisen. Desinformation ist ein wesentlicher Teil des Geschäftsmodells, weil ein Element, das User*innen aufwühlende Inhalte zeigt, um sie lang am Bildschirm zu halten und ihnen möglichst viel Werbung zeigen zu können.

Das Gesetz müsste Tech-Plattformen konkret dazu zwingen, ihre Algorithmen bei Prüfbehörden einzureichen, bevor sie veröffentlicht werden. Netzexpert*innen fordern seit Jahren, einen Ethik-Kodex für Softwareingenieure zu etablieren. Wenn sie und die Unternehmen dagegen verstoßen, sollen sie auch rechtlich belangt werden können.

Der Aktionsplan für Demokratie ist bislang nur eine Ankündigung und kein Gesetzgebungsprozess. Erste Entwürfe werden 2021 erwartet. Die neuen Transparenzregeln sollen sogar erst 2024 wirksam werden, rechtzeitig vor der Europawahl.

Das liegt auch daran, dass es in den einzelnen EU-Mitgliedsländern unterschiedliche Regeln für Wahlwerbung gibt, eine supranationale Angleichung dauert. Von anfänglichen Überlegungen, Tech-Konzerne zerschlagen zu wollen, ist der Binnenmarktkommissar Thierry Breton mittlerweile zurückgerudert. Spannend bleibt, was im Dezember dann im Entwurf des Digital Services Act steht.

Bis dahin kann auf Facebook noch eine Menge Desinformation betrieben werden. So will das Unternehmen zwar gegen Falschinformationen zu Corona-Impfstoffen vorgehen. Dabei lässt es sich aber Zeit, heißt es in einem Blogpost. „Wir werden nicht von heute auf morgen damit beginnen, diese Richtlinien durchzusetzen.“

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