Europatreffen in Moldau: Gegen Putin sein reicht nicht

Die Abgrenzung gegen Russlands Diktator ist der einzige gemeinsame Nenner Europas. Was fehlt, ist eine geopolitische Strategie.

Macron, Sandau, Selenski, Scholz stehen vor einer Wand

Vereint: Frankreichs Präsident Macron, Maia Sandu, Präsidentin der Republik Moldau, der ukrainische Präsident Selenski, Kanzler Scholz Foto: Kay Nietfeld/dpa

Moldau und die Ukraine gehören zu Europa. Dieses Zeichen sollte vom zweiten Gipfel der „Europäischen Politischen Gemeinschaft“ (EPG) in Chişinău ausgehen – und es hat geklappt. 47 Staats- und Regierungschefs folgten der Einladung, für einen Tag stand Moldau im Mittelpunkt. Allerdings stand ohnehin nie in Frage, dass Moldau und die Ukraine zu Europa zählen. Die entscheidende Frage ist, ob sie in die EU oder die Nato gehören. Diese Frage wurde in Chişinău nicht beantwortet. Moldau warb zwar für einen EU-Beitritt 2030 – doch Fortschritte gab es nicht.

Auch der Nato-Beitritt der Ukraine bleibt umstritten. Die USA, Deutschland und Frankreich stehen auf der Bremse. Sie fürchten – zu Recht – dass ein Nato-Beitritt mitten im Krieg eine fatale Kettenreaktion auslösen könnte.

Mit der demonstrativ zur Schau getragenen Einigkeit war es also nicht weit her. Geeint war der neue Europa-Club nur gegen Russland und Wladimir Putin. Anti-Putin-Gipfel hat es aber schon viele gegeben. Fürs Putin-Bashing braucht es keine EPG.

Was Europa fehlt, ist ein geopolitisches Forum – und genau dafür wurde die EPG von Frankreichs Staatschef Macron aus der Taufe gehoben. Geopolitik ist jedoch mehr als ein Familienfoto aus Moldau. Bei Geopolitik geht es um Geografie und Interessen.

Die Geografie will es, dass Europa mit Russland leben muss. Das europäische Interesse gebietet es, an die Zeit nach dem Krieg zu denken – auch da kommt man an Russland nicht vorbei. Doch diese geopolitischen Basics hatten es in Moldau schwer – Macron drang kaum durch.

Wieder gab Ukraines Präsident Selenski den Ton an, mit der Forderung nach Sicherheitsgarantien. Dabei ergeben Sicherheitsgarantien nur Sinn, wenn der Krieg beendet ist. Ein Waffenstillstand war jedoch kein Thema, eine neue Friedensordnung ist nicht in Sicht. Auch bei anderen Themen gab es kaum Bewegung. Der immer noch blockierte Nato-Beitritt Schwedens, die Spannungen zwischen Serbien und Kosovo, die Dauerkrise zwischen Armenien und Aserbaidschan: Die Europäer haben darüber geredet, doch Ergebnisse gab es keine.

Derweil schaffen andere Fakten. Bei einem Treffen der Brics-Staaten in Südafrika, das parallel zum Europagipfel stattfand und zu dem auch der russische Außenminister Sergei Lawrow kam, wurde die Erweiterung der Gruppe um mehr als ein Dutzend Staaten vorbereitet. Zu Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika könnten bald auch noch Saudi-Arabien und die Türkei stoßen. Während Europa mit sich selbst beschäftigt ist, wächst die neue, multipolare Weltordnung. Die Europäer spielen darin nur eine Nebenrolle. Gegen Putin sein ist zu wenig, um Geopolitik zu machen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.