Europawahl: Unsichere Listenplätze für Linkspartei und FDP: Zittern um europäische Zehntel

Für die Berliner Kandidatinnen von Linkspartei und FDP zählt Sonntag jede Stimme: Sie stehen auf unsicheren Listenplätzen. Für alle anderen geht es ums Prestige.

Jede Stimme zählt für FDP und Linkspartei Bild: dpa

Sie sind sonst so abstrakt und fern, die Europawahlen. Keine Wahlkreise, keine Direktkandidaten, nur vorwiegend bundesweite Listen. Für Martina Michels (Linkspartei) und Alexandra Thein (FDP) hingegen wird es am Sonntagabend ab 18 Uhr ganz konkret. Denn diese Berliner Kandidatinnen stehen auf diesen Listen genau auf den Plätzen, die nach den jüngsten Umfragen auf der Kippe stehen.

Acht bis achteinhalb Prozent bundesweit. Das ist die entscheidende Hürde für Martina Michels, die 53-jährige langjährige Landespolitikerin. Dann bekäme die Linkspartei neun Mandate im Europarlament - und Michels steht auf Listenplatz neun. In der Parteizentrale hält man "alles zwischen sieben und zehn Prozent" für möglich. Mal sieben, mal acht waren es bislang in den Umfragen. Bei der vergangenen Eurowahl 2004 kam die Linkspartei, damals noch PDS, genau wie bei der FDP bundesweit 6,1 Prozent. Das reichte für je sieben Mandate.

Für die FDP-Frau Thein liegt die aktuelle Hürde bei zehn Prozent. Die würden für ihren elften Listenplatz reichen. "Wenn wir zweistellig werden, ist sie sicher drin", heißt es bei den Wahlkampfstrategen der Liberalen. In Umfragen lag die FDP jüngst mal bei neun, mal bei zehn Prozent. Die 45-Jährige, die noch nie einen Parlamentssitz hatte, wäre die allererste Berliner FDP-Politikerin überhaupt im Europaparlament. 2004 knackten die Liberalen nach zehn Jahren zwar wieder die Fünf-Prozent-Hürde. Ihr damaliger Berliner Spitzenkandidat hatte aber auf Platz 12 der Bundesliste keine Chance.

Wie viele Stimmen die Parteien in Berlin bekommen, ist für Michels und Theins persönliches Schicksal zweitrangig. Für ihre Landesverbände hingegen ist das Ergebnis auch ohne konkrete Auswirkungen wichtig für das eigene Standing. Das gilt sowohl nach außen wie parteiintern. Als die Berliner Grünen vor fünf Jahren bei der Europawahl 22,8 Prozent holten, die hiesige SPD hinter sich ließen und zweitstärkster Landesverband wurden, war das ein Schub fürs Selbstbewusstsein. Genau genommen schienen die Grünen eine Zeit lang vor Kraft kaum laufen zu können. Vorne lag 2004 in Berlin die CDU mit über 26 Prozent, die SPD holte kaum 19 Prozent. Die Christdemokraten dominierten in den folgenden Monaten in Umfragen auch auf Landesebene, was ihnen bei der Abgeordnetenhauswahl zwei Jahre später allerdings wenig half. Ihr Parteichef war damals - angesichts des aktuellen CDU-Tiefs heute kaum vorstellbar - beliebtester Politiker Berlins. Sein Name: Joachim Zeller. Heute lächelt er für die Union von den Europawahlplakaten.

Anders als Michels und Thein muss Zeller dem Sonntagabend nicht entgegenzittern, genauso wenig wie Dagmar Roth-Behrendt (SPD) und Michael Cramer (Grüne). Damit die guten bis sehr guten Listenplätze der drei nicht für ein Mandat reichen, müssten ihre Parteien regelrecht einbrechen. Das aber geben die Umfragen nicht her.

Neben den etablierten Parteien stehen auf dem 94 Zentimeter langen Wahlzettel am Sonntag noch 26 andere Wählergemeinschaften und Parteien. Das Spektrum reicht von der Piratenpartei, die informationelle Selbstbestimmung fordert, über die Familien-Partei bis zur Partei Bibeltreuer Christen.

Die Wahlbeteiligung war 2004 in Berlin auf erschreckend niedrige 38,6 Prozent abgerutscht, gegenüber 39,9 fünf Jahre zuvor. 1994 waren es noch über 53 Prozent. Die Zahl der Briefwähler lag Mitte dieser Woche allerdings über dem Stand von 2004, was auf eine wieder wachsende Wahlbeteiligung hinweisen könnte. Berlins Eurobeauftragte Monika Helbig hat die Messlatte hoch gelegt: 45 Prozent plus X sollen es werden.

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