Evangelikale: Kein Darwin, kein vorehelicher Sex

Mit modernen Mitteln werben Gruppen wie "Organisation Mobilisation" für Moralvorstellungen aus vergangenen Zeiten und haben regen Zulauf von Jugendlichen. Selbst die Kirche findet die Kluft zwischen Pop und erzkonservativer Botschaft kritisch.

Tausende Jugendliche aus aller Welt, die eine Woche lang Spaß mit Musik und Bibel haben - angesichts dessen, was Heranwachsende in dem Alter sonst so machen, klingt "Teenstreet" nach einer wenig anstößigen Angelegenheit. Doch der Kongress dient dazu, junge Leute auf ein überaus konservatives und rigides Menschenbild einzuschwören, das keine Zwischentöne duldet.

Organisiert in der "Evangelischen Allianz" gilt Gruppen wie "Organisation Mobilisation" (OM) die Bibel als oberste Autorität für das gesamte Leben, kritische Exegese hingegen als Ketzerei. Die Schöpfungslehre wird gegen Darwins Evolutionstheorie gestellt, vorehelicher Sex, Homosexualität und Abtreibung abgelehnt. In der für die Evangelikalen bedeutenden "Lausanner Verpflichtung" von 1974 heißt es über die Bibel: "Es ist ohne Irrtum in allem, was es bekräftigt und ist der einzige unfehlbare Maßstab des Glaubens und Lebens."

Wohl auch, weil die Evangelikalen seit längerem bei den Amtskirchen wildern, gehen die auf Distanz. Der Sitz von OM in Mosbach fällt in das Gebiet der Landeskirche Baden. Deren Beauftragter für weltanschauliche Fragen, Jan Badewien, hält solchen Bibel-Fundamentalismus für problematisch: "Es wird eine absolute Irrtumslosigkeit der Schrift angenommen. Wenn man einmal gelernt hat, die Bibel historisch-kritisch zu lesen, kann man das nicht akzeptieren."

Auf dieser Basis hätten sich Organisationen wie OM für ihre "sehr intensive Jugendarbeit" vor allem die Missionierung auf die Fahnen geschrieben: "Es geht um Bekehrung. Die Jugendlichen sollen ihr Leben an Jesus übergeben." Für das Menschenbild, dass den Jugendlichen vermittelt werde, spielen Begriffe wie Schuld, Sünde und Erlösung eine große Rolle - zu Lasten der Erziehung zum selbständigen Denken. "Die Haltung die eingeübt wird, ist: Du muss nichts selbst entscheiden, es ist bereits festgelegt, was du tun musst." All dies sei vor allem für junge Menschen schwer zu erkennen. "Die Fassade ist ganz modern und pop-orientiert. Die bedienen den aktuellen Musikgeschmack und nutzen alle technischen Möglichkeiten. Das steht in einem eigentümlichen Gegensatz zu den theologisch äußerst konservativen Inhalten", sagt Badewien. Insofern sei die Jugendarbeit einer Organisation wie OM eine "einseitige Beeinflussung".

Erst vor kurzem hatte eine Studie des Rates der evangelischen Kirche ein düsteres Bild für die Zukunft der Amtskirchen gezeichnet. Sie ergab, dass "vielen Jugendlichen heute die Institution Kirche von vornherein fremd und deshalb gleichgültig ist - sie wollen sie nicht einmal mehr verändern". Die Kirche sei "auf dem religiösen Markt für Jugendliche nur noch eine Anbieterin für Sinnfragen neben anderen". Sie könne "auf keinen Bonus rechnen und nur wenig voraussetzen".

Die Evangelikalen scheinen mit diesem Befund weniger Probleme zu haben als die Amtskirchen. Deren zaghafte Versuche, etwa mit dem Konzept von Jugendkirchen ihre eigene, überaus betuliche Jugendarbeit zu modernisieren, verblasst neben hochprofessionellen Inszenierungen wie dem Christival oder eben Teenstreet. "Die haben richtig gute Leute für das, was sie tun", sagt Badewien. "Das muss man neidlos zur Kenntnis nehmen."

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