Ex-Neonazi wird Fernseh-Chef: Jung im Gesicht, alt im Kopf

Der Ex-Neonazi Piotr Farfal hat sich durch eine List selbst als Intendant des polnischen Staatsfernsehens eingesetzt.

Piotr Farfal hat sich an sämtlichen rechten Stationen abgearbeitet. Bild: dpa

WARSCHAU taz Gerade mal 31 Jahre alt ist Piotr Farfal. Die Blitzkarriere vom Redakteur des antisemitischen Revolverblatts Front zum neuen Intendanten von Polens wichtigstem Fernsehsender TVP verdankt der Jungpolitiker vor allem seinem Parteibuch. Die nationalistische Liga der polnischen Familien (LPR), die vor drei Jahren noch an der Regierung beteiligt war, hatte den stramm rechten Farfal in den Aufsichtsrat des Staatsfernsehens TVP delegiert.

Vor einigen Tagen nun gelang es Farfal, die Mehrheit des Aufsichtsrats hinter sich zu bringen, den bisherigen Intendanten von seinem Amt zu suspendieren und sich selbst einzusetzen. Das Vorgehen des Aufsichtsrats sei rechtens, wiesen polnische Richter eine Klage des geschassten Vorgängers ab. Die liberalkonservative Regierung unter Donald Tusk arbeitet nun eifrig an einem neuen Mediengesetz, das auch die Machtverhältnisse im Staatsfernsehen neu regeln soll. Bis März 2009 wird aber vorerst Farfal TVP leiten.

"Wir tolerieren keine Feiglinge, Verräter, Juden", zitierte bereits 2006 die linksliberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza aus Front. Die engagierte Zeitung wollte verhindern, dass Farfal, der für das Neonazi-Blatt gearbeitet und es zum Teil sogar als Herausgeber verantwortet hatte, in den Aufsichtsrat des Fernsehens berufen wurde.

Zum Beweis für den rassistischen Charakter von Front druckte die Gazeta Wyborcza auch einen Auszug aus dem Text "Das wahre Antlitz des Juden" ab. Darin hieß es: "Gegenüber den Juden sind scharfe Repressionen notwendig, wenn das Volk sich selbstständig und gesund entwickeln will. Es ist an der Zeit, […] sich vollständig des Judentums zu entledigen. Es muss aus ganz Europa vertrieben werden. […] Ohne Gnade und falsches Mitleid." Redaktionell verantwortlich für diese Texte und Zeichnungen war der damals noch jugendliche Piotr Farfal.

Statt sich als Erwachsener eindeutig von seiner Vergangenheit loszusagen, strengte Farfal einen Prozess gegen die Gazeta Wyborcza an. Sie solle sich bei ihm für die Bezeichnung "Ex-Neonazi" entschuldigen und umgerechnet 12.500 Euro Strafe an eine gemeinnützige Organisation überweisen. "Heute würde ich solche Artikel nicht schreiben", räumte er zu Beginn seiner Karriere im polnischen Staatsfernsehen ein. "Ich bin zwar nach wie vor national gesinnt, aber kein Faschist oder Rassist." Im Mai 2008 entschied das Kreisgericht in Warschau, dass sich Farfal die Bezeichnung "Ex-Neonazi" gefallen lassen muss.

Denn bevor Farfal Mitglied bei der rechtsextremen Allpolnischen Jugend und schließlich der LPR wurde, machte er noch einen Zwischenstopp bei der neofaschistischen Nationalen Wiedergeburt Polen (NOP). Für deren Blatt Szczerbiec (Das Schwert) schrieb er mehrere Artikel. Die NOP ist berüchtigt für ihre gewalttätigen Übergriffe und antisemitischen Parolen. "Was zählt, ist doch die Absicht", meinte Farfal auf die Frage, ob er sich auf einem dieser Bilder mit strammstehenden und "Sieg Heil" brüllenden Männern wiedererkenne, die Hand zum Hitlergruß gehoben. "Ich wollte nie den Arm mit dieser Absicht ausstrecken. Man kann sich mit dieser Geste doch auch verabschieden oder begrüßen."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.