Ex-V-Mann und Neonazi verurteilt: Kindesmissbrauch in 156 Fällen

Der Vorwurf lautete auf schweren sexuellen Missbrauch. Das Landgericht Gera verurteilt Tino Brandt zu fünf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe.

Tino Brandt im Landgericht Gera. Bild: dpa

GERA taz | Das Landgericht Gera hat den bekennenden Neonazi Tino Brandt am Donnerstag wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Die Anklage hatte Brandt in 156 Fällen eigenen Verkehr mit minderjährigen Jungen gegen Bezahlung oder deren Vermittlung gegen „Provision“ an andere Erwachsene vorgeworfen. Es handelte sich um vier männliche Jugendliche unter 18 Jahren, ein weiteres Opfer war 13 Jahre alt.

Sie stammten aus dem Umfeld Brandts und aus „prekären sozialen Verhältnissen“, wie der Vorsitzende Richter Bernd Neidthardt sagte. Die Taten fanden zwischen 2010 und 2014 statt. In 91 Fällen einigten sich die Prozessbeteiligten auf eine Einstellung, die übrigen waren für die Verurteilung relevant. Brandt nahm das Urteil auffallend gelassen entgegen.

Tino Brandt wurde 1975 im thüringischen Saalfeld geboren. Schon als Jugendlicher war er in Bayern und Thüringen in mehreren rechtsextremen Organisationen aktiv. Überregional bekannt wurde Brandt, als er 2001 einräumen musste, seit 1994 als V-Mann für den Thüringer Verfassungsschutz gearbeitet zu haben. Honorare von insgesamt rund 200.000 DM will er damals an den „Thüringer Heimatschutz“ weitergeleitet haben, dem er vorstand. Zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ hielt er gleichfalls Verbindung, wurde im November beim Münchener Prozess gegen Beate Zschäpe auch als Zeuge gehört.

Mitarbeit des Angeklagten

Die Hauptverhandlung am Landgericht Gera fand am Donnerstag mit Rücksicht auf die Opfer weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Brandt entging einer höheren Gesamtstrafe, weil er sich schon bei den Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft zu den Vorwürfen geäußert hatte. Für die Hauptverhandlung hatte Verteidiger Thomas Jauch, ein bekannter Anwalt in der rechten Szene, weitere Einlassungen seines Mandanten angekündigt. In einem Rechtsgespräch einigten sich die Prozessparteien gestern auf ein Strafmaß von fünf bis sechs Jahren, wenn sich der Angeklagte weiterhin geständig zeige. Brandt erhielt wegen Betrugs und wegen falscher Verdächtigung bereits geringere Geldstrafen.

Über seine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs hinaus muss Tino Brandt mit einem weiteren Verfahren rechnen. In Gera bestätigte Oberstaatsanwalt Steffen Flieger, dass seit 2012 gegen ihn wegen gemeinschaftlichen Versicherungsbetruges mit mehreren Beteiligten ermittelt wird. Es soll sich um fingierte Arbeitsunfälle handeln.

Bei einer entsprechenden Hausdurchsuchung war die Polizei auf seine sexuellen Kontakte zu minderjährigen Jungen aufmerksam geworden. Brandt hatte im gleichen Jahr Privatinsolvenz anmelden müssen. Seine Verbindlichkeiten sollen einen siebenstelligen Betrag erreicht haben. Spätestens im Frühjahr 2015 wird über eine weitere Anklageerhebung entschieden werden, sagte Oberstaatsanwalt Flieger.

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