Experte über Lage auf dem Sinai: „Hamas will die Lage ruhig halten“

Nach den jüngsten Gewalttaten im Sinai fordert Professor Jakob Bar-Siman-Tov eine engere Kooperation zwischen Israel und Ägypten. Zumindest im Bereich der Nachrichtendienste.

Nachschub: ägyptische Panzer auf dem Nordsinai. Bild: dapd

taz: Herr Bar-Siman-Tov, wer steckt hinter den Anschlägen im Sinai und woher haben die Täter ihre technische Ausrüstung?

Jakob Bar-Siman-Tov: Die Waffen kommen mit großer Wahrscheinlichkeit aus libyschen Rüstungslagern. Wir wissen, dass nach dem Sturz Muammar al-Gaddafis die Lager geplündert wurden. Ein großer Teil dieser Waffen ist anschließend auf den Sinai geschmuggelt worden, darunter auch Flugabwehrraketen. Bei den Tätern haben wir es mit einem Mischmasch aus Mudschaheddin, aus Anhängern von al-Qaida und Beduinen zu tun.

Über Jahrzehnte hörte man nichts von den auf dem Sinai lebenden Beduinen, dann sprengen sie Gasleitungen, massakrieren Flüchtlinge und kooperieren mit Terroristen. Warum passiert das jetzt?

Es geht um Geld. Es wird geschmuggelt, niemand kontrolliert, es herrscht Anarchie. Die Beduinen machen sich das zunutze. Das Attentat [am Übergang zum Gazastreifen, d. Red.] zeigt, wie wenig sie damit rechnen, dass die ägyptischen Sicherheitskräfte tatsächlich etwas gegen sie unternehmen werden. Im Sinai leben 400.000 Beduinen, die keine Strom- und Wasseranschlüsse haben und keine Arbeit.

Was sollte Ihrer Meinung nach unternommen werden?

Auf der Sinaihalbinsel hat es einem ägyptischen Medienbericht zufolge am Donnerstag neue Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Bewaffneten gegeben. Sie hätten sich vor einem Polizeiposten in al-Arisch ereignet, berichtete der Sender Nile TV. Sicherheitskräfte gingen derweil weiter gegen Islamisten vor, nachdem am Sonntag Soldaten bei einem Überfall getötet worden waren. (afp)

Es müssen schlicht mehr Truppen geschickt werden, die nach und nach wieder Kontrolle über die Region gewinnen. Armee und Polizei müssen präsent sein, um die abzuschrecken, die Attentate planen.

Welche Konsequenzen werden die jüngsten Entwicklungen auf die Beziehungen zwischen Kairo und Gaza haben?

Kairo fängt an zu verstehen, dass Gaza nicht unproblematisch ist. Die ägyptischen Sicherheitskräfte zerstören Tunnel in den Gazastreifen, durch die auch Waffen geschmuggelt werden. Das ist neu.

Bedrohen die radikalen Kräfte die Regierung in Kairo nicht genauso wie die Führung der Hamas im Gazastreifen?

Sicher will Hamas die Lage ruhig halten. Das Letzte, was die Führung im Gazastreifen braucht, ist ein Konflikt mit Ägypten. Sie hat mit uns schon genug.

Die ägyptischen und israelischen Sicherheitsapparate haben gut miteinander kooperiert. Welche Folgen hatte der Arabische Frühling auf die Sicherheitsabsprachen zwischen den beiden Staaten?

Es hat klare Anzeichen gegeben für einen geplanten Angriff. Israel hat Kairo vor dem Attentat gewarnt. Diese Vorwarnungen sind auch an israelische Touristen rausgegangen, die in den Sinai reisen wollten. In Kairo hat man diese Warnungen nicht ernst genommen, sondern als Versuch Israels gesehen, dem Tourismus in Sinai zu schädigen, was im übrigen längst passiert. Es gibt keinen anderen Weg als die Kooperation der Sicherheitsapparate, zumindest im Bereich der Nachrichtendienste.

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