Expertin über Aktionsplan saubere Ostsee: „Von guten Zuständen weit entfernt“

Vom „Ostseeaschenbecher“ über Fangquoten bis zu einem Folge-Aktionsplan: Wie die Ostsee wieder zu einem gesunden Meer werden soll.

Strand mit Menschen und Surfer.

Die Ostsee bei Warnemünde während eines Sturms am 14. Oktober Foto: Bernd Wüstneck/dpa

taz: Frau Busse, weit über die Hälfte des Mülls an den Ostseestränden stammt von Freizeit- und Tourismusaktivitäten an Land. Was möchten Sie in den nächsten zwei Jahren gegen Zigarettenkippen und Gummibärentüten machen?

Lilian Busse: Bezüglich der Kippen hilft erstens Bewusstseinsbildung, denn viele Raucher wissen nicht, dass ein Zigarettenstummel aus Kunststoff besteht, unter anderem mit Nikotin, Teer und Schwermetallen belastet ist und zudem bis zu sechs Jahre braucht, bis er abgebaut ist. Außerdem setzen wir auf schon erfolgreiche Projekte wie den „Ostsee-Aschenbecher“, verschließbare Dosen für die Hosentasche. Es ist wichtig, alle Akteure einzubinden, die örtliche Bevölkerung, Touristen, die Kommunen. Sie bringen wir zum Beispiel am Runden Tisch Meeresmüll zusammen. Meeresmüll zu bekämpfen ist auch einer der Schwerpunkte unter dem deutschen Vorsitz der Helsinki-Kommission zum Schutz der Ostsee.

Lilian Busse leitet am Umweltbundesamt den Fachbereich „Gesundheitlicher Umweltschutz und Schutz der Ökosysteme“. Für zwei Jahre hat sie den Vorsitz der Helsinki-Kommission (Helcom) zum Meeresschutz in der Ostsee inne.

Ist Müll das größte Problem der Ostsee?

Er ist ein wesentliches Problem. Besonders schädlich sind die filigranen Fangnetze der Fischer. Wenn sie verloren gehen, stellen sie sich immer wieder in der Wassersäule auf und sind für marines Leben tödlich, da sie über viele Jahre herrenlos weiterfischen. In einem Geisternetz haben wir zusammen mit anderen Tauchern einmal 24 Kormorane gefunden. Diese Netze tragen mit dazu bei, dass in der zentralen Ostsee Schweinswale kurz vor dem Aussterben stehen, da sie regelmäßig als Beifang mitgefangen werden. Eine weitere große Belastung der Ostsee sind die zu hohen Stickstoffeinträge und zu hohe Fangquoten.

Deutschland bekommt seine hohen Nährstoffeinträge doch selbst nicht in den Griff …

… die Überdüngung ist ein Schwerpunkt in unserer Amtszeit bei der Helcom. Wir wollen zum Beispiel bestimmte Modellregionen ausweisen, in denen wir sehen können, wie wir die Nährstoffeinträge vor allem aus der Landwirtschaft senken können. Die Landwirtschaft ernährt uns, aber sie ist auch Hauptursache für dieses Problem, hier müssen wir im Dialog gemeinsam weiterkommen.

2021 sollte die Ostsee wieder ein gesundes Meer sein – so hatten es vor zehn Jahren die Mitglieder der Helsinki-Kommission (Helcom) in einem Aktionsplan beschlossen. Die zehn Ostseeanrainer wollten vor allem die durch übermäßige Nährstoffeinträge entstandenen Todeszonen in dem Binnenmeer beseitigen. Kürzlich stellte das Umweltbundesamt nüchtern fest, gegenüber 2008 hätten sich die Einträge von Stickstoff und Phosphor wenig verändert.

Seit Juli hat Deutschland für zwei Jahre den Vorsitz der Helcom übernommen. Diese Woche treffen sich die Mitglieder, um zum einen über ein Folgeabkommen zu dem im nächsten Jahr auslaufenden Aktionsplan zu beraten; zum anderen geht es darum, wie das Programm der Helcom gegen Meeresmüll umgesetzt werden kann.

Haben Sie Einfluss auf die Fangquoten?

Nein, haben wir nicht. Das mit den Fangquoten läuft so: Der internationale Rat für Meeresforschung, der Ices, macht einen Vorschlag für Fangquoten. Die EU-Kommission macht daraus eine Empfehlung für die Fischereiminister, und die entscheiden dann. Ihre Quoten sind immer wesentlich höher als die vorsorglich auf Basis vorhandener wissenschaftlicher Daten getroffenen Vorschläge des Ices. Momentan sind 88 Prozent der quotierten Fischbestände der Ostsee überfischt. Laut der EU Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie sollten 2020 alle Bestände in gutem Zustand sein, doch davon sind wir weit entfernt. Die Dorsche der östlichen Ostsee etwa sind viel zu klein und zu mager, das ist ein Indiz für Überfischung.

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