Extrembergsteiger über Mount Everest: „Wir haben sehr viel riskiert“

Vor 60 Jahren gelang die Erstbesteigung des Mount Everest. Extrembergsteiger Hans Kammerlander über seine Erfahrungen am höchsten Berg der Welt.

Für Tausende mittlerweile kein Extrem mehr: Mount Everest. Bild: ap

taz: Herr Kammerlander, der Everest ist inzwischen für zahlungskräftige Hobby-Bergsteiger zu einem begehrten Ziel geworden. Kürzlich war ein Japaner im Alter von 80 Jahren auf dem 8.850 Meter hohen Gipfel.

Hans Kammerlander: Durch die kommerziellen Anbieter wurden einfach zu viele Bergsteiger zum Everest gelockt und man verspricht ihnen, der Berg wird präpariert mit Fixseilen, Leitern und Flaschensauerstoff-Depots. Künstlicher Sauerstoff wird schon in tieferen Lagen verwendet. Dadurch wird der Berg den Leuten schmackhaft gemacht. Rund 50 Prozent der Everest-Anwärter haben klettertechnisch, alpinistisch und konditionell zu wenig Erfahrung, sind damit überfordert, auch unter Zuhilfenahme von Sauerstoff. Das schadet dem Alpinismus. Die Normalroute ist zum Tourismuspfad verkommen.

Sie sind mit Skiern vom Everest runtergefahren. Ein ziemlich waghalsiges Unternehmen, oder?

Ich glaube, es wird immer schwerer für einen Alpinisten oder Kletterer, als Profi zu überleben, weil es inzwischen ganz viele gute Alpinisten und Kletterer gibt. Zudem gibt es immer weniger Neuland, offene Projekte. Auf den höchsten Gipfeln der Welt wären es teilweise noch Überschreitungen oder Skiabfahrten. Die sind aber blitzgefährlich. In diesen steilen Wänden so rutschige Bretter in dieser dünnen Luft unter den Füßen zu haben, das ist grenzwertig. Ich habe es am Everest und Nanga Parbat ausprobiert. Das sind ganz intensive Augenblicke: Wenn du da einen kleinen Fehler machst, dann hast du keine Chance mehr.

War es Ihre Intention, mit den Skiern bergab schneller aus der sauerstoffarmen Höhenregion, der Todeszone, rauszukommen?

Da stand die sportliche Herausforderung im Vordergrund, ob eine Abfahrt von diesen hohen Gipfeln mit Skiern überhaupt möglich ist. Mit Steigeisen ist man in diesen steilen Bereichen eigentlich schneller als mit Skiern. Mit den Skiern ist es ein unbeschreiblich feinfühliges Durchtasten, und man braucht weitaus mehr Kraft als mit den Steigeisen.

Der Bergsteiger war 1996 zum ersten Mal auf dem Mount Everest. 12 der 14 Achttausender hat er bestiegen, sieben davon gemein sam mit Reinhold Messner. Der 56-jährige Bergführer lebt in Südtirol.

Was sagen Sie zu den zahlreichen Menschenrechtsverletzungen in Tibet, verursacht durch China? Selbst für Bergsteiger aus dem Ausland wird Tibet immer wieder mal gesperrt ?

Ich habe immer gelitten, wenn ich gesehen habe, wie die Chinesen mit den Tibetern umgehen. Das Leben eines Tibeters zählt für einen Chinesen absolut nichts. Weil ich mich mit meinen Büchern und Filmen immer wieder über die Missstände in Tibet geäußert habe, durfte ich eine Zeit lang nicht mehr einreisen. Aber ich werde immer meine Meinung sagen.

Der Bergsteiger war 1996 zum ersten Mal auf dem Mount Everest. 12 der 14 Achttausender hat er bestiegen, sieben davon gemein sam mit Reinhold Messner. Der 56-jährige Bergführer lebt in Südtirol.

Vor und während der Olympischen Spiele in Peking waren die Verletzungen der Menschenrechte in China ein großes Thema. Das ebbte aber schnell wieder ab.

Das waren keine schönen Olympischen Spiele. Das war auch eine politische Veranstaltung. Was die Chinesen da präsentiert haben mit ihrem Fackellauf auf den Mount Everest, war nichts anderes als eine vorgestellte Lüge. Die haben da Filmaufnahmen vom Jahr vorher verwendet. Ich wäre als Sportler nur ungern zu diesen Spielen gefahren.

Stichwort Lüge: Ihnen wurde vorgeworfen, dass Sie in Alaska am zweithöchsten Berg Nordamerikas, dem Mt. Logan (5.959 Meter), nur einen Vor- und nicht den Hauptgipfel bestiegen hätten. Was sagen Sie dazu ?

Der Logan hat mehrere Einzelgipfel. Wir, mein bewährter Kletterpartner Konrad Auer und ich, haben den markantesten mit dem Höhenmesser angepeilt und sind hinaufgestiegen. Der Streit drehte sich um einen Eispickel, der angeblich auf dem höchsten Punkt des Berges steckte, der aber auf unseren Gipfelfotos nicht zu sehen war. Dann wurden wir mit den Worten „Lüge“ und „Betrug“ konfrontiert. So etwas tut weh. Deswegen habe ich mir gedacht, auch wenn es nicht sein muss, ich fahre noch mal hin und überschreite den ganzen Berg. Das habe ich 2012 realisiert. Diese hinterhältige Hetzerei wurde von einem Konkurrenten aus Österreich inszeniert. Auch damit muss man leben. Da spielte wohl auch Neid eine Rolle im Hintergrund.

Spüren Sie bei Ihren Unternehmungen gelegentlich auch den Druck der Sponsoren, die einen Gipfelerfolg verlangen ?

Ich gehe für einen Sponsor natürlich keinen Schritt weiter, als ich gehen möchte. Man braucht sich gegenseitig, wir testen die Produkte. Aber ich lasse mich durch einen Sponsor weder bei meinen Zielen beeinflussen, noch würde ich etwas riskieren, was ich normalerweise nicht machen möchte. Es ist für viele eine Gefahr. In solchen Bereichen habe ich von Reinhold Messner viel gelernt.

Sie sind jetzt 56 Jahre alt, wie schätzen Sie Ihre eigene Leistungsfähigkeit ein ?

Die beste Zeit als Kletterer ist klar vorbei, auch wenn ich mich konditionell noch sehr gut fühle und mir meine langjährige Erfahrung hilft. Aber ich muss auch nicht mehr diesen Wettlauf mitmachen, den habe ich 25 Jahre aktiv durchgestanden, wir haben sehr viel riskiert. Als ich 50 wurde, kam meine Tochter zur Welt, ich habe nur ein einziges Kind. Die Kleine hat mir dann auch geholfen, bei diesem eisigen Wettlauf zurückzustecken, und ich habe mir gedacht, einige von meinen Bergfreunden haben es leider nicht überlebt. Also habe ich zurückgeschaltet.

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