Extreme Rechte schlachtet Krawalle aus: "Rassenkrieg" in England

Die britische extreme Rechte will politisch von den Unruhen profitieren. Sie ruft die Bürger auf, "unsere Gemeinden und Städte gegen diese Strolche zu verteidigen".

Um die Augen wie F. J. Strauß: N. Griffin, Chef der British National Party. Bild: reuters

Nick Griffin, Vorsitzender der "British National Party" (BNP), wandte sich mit einer Videobotschaft an Mitglieder und Sympathisanten. Schwarz-weiß flimmern die ersten Sekunden. Der bereits vor 13 Jahren verstorbene Erzkonservative Enoch Powell spricht: In den nächsten 15 oder 20 Jahren wird "der schwarze Mann die Kontrolle über den weißen Mann erlangt haben", prophezeit er.

Die BNP zeigt kurze Sequenzen aus seiner in England weit bekannten Hetzrede von 1968, die sich unter dem Titel "Rivers of Blood" ins kollektive Gedächtnis der Nation einschrieb – "Ströme aus Blut" würden die Folge der Zuwanderung sein. Cut. Griffin spricht: England stünde kurz vor einem "Rassenkrieg", warnt er. Die Aufnahme ist ein Ausschnitt einer Rede von 2008. Cut. Wenn die Politiker und Medien jetzt sagen, sie hätten es nicht kommen sehen, so lügen sie, ereifert sich Griffin schließlich topaktuell.

Powell warnte, die BNP warnte, ich warnte, aber keiner wollte hören, klagt der Abgeordnete im Europaparlament. Unerheblich zu sagen, dass bei den Unruhen weniger die Hautfarbe als vielmehr das (jugendliche) Alter eine Rolle spielen. Doch ungenutzt kann Griffin für seine Partei, die bei den letzten Wahlen herbe Verluste einsteckte, die sich bietende Chance, die "Rassenkrieg"-Karte auszuspielen, nicht vorbeiziehen lassen.

Die "English Defense League" (EDL) zeigt sich derweil moderater. "Um eins klar zu machen, diese Krawalle gehen von allen Rassen, Farben und religiösen Überzeugungen, nicht einer spezifischen Religion, aus", postet sie auf ihrem Facebook-Account. Sie erinnert, jeder könne sich der EDL anschließen und heuchelt, ihre Gedanken seien bei den Polizisten draußen im Einsatz. Tiefe Sympathie hege sie für die Geschädigten. Bereits am Dienstag rief sie via Facebook dazu auf, "unsere Gemeinden und Städte gegen diese Strolche zu verteidigen". Seitdem folgen auf der Seite der EDL regelmäßig Postings, wo sie vermeintlich Präsenz gezeigt haben will.

Anhänger aus dem Hooliganmilieu

Die Ursache für die Krawalle, mutmaßt die EDL, liege darin, dass Patriotismus, Nationalstolz und der Respekt gegenüber der Königin offensiv gebrandmarkt worden seien. Diese Zurückhaltung überrascht, denn der Hauptgegner der EDL ist der Islam, dessen Anhänger das Land unterwandern und zersetzen würden. Ihre Anhängerschaft rekrutiert sie, wie auch andere militante neofaschistische Gruppierungen, aus dem Hooliganmilieu. Der norwegische Attentäter Anders Behring Breivik stand mit ihr in Kontakt – ihre ideologischen Vorstellungen gleichen sich.

Ds Feindbild "Islam" hängt mit dem Gründungsmythos der English Defense League (EDL) zusammen. Ihr Ursprung sei eine Reaktion auf Proteste von Islamisten in Luton im Mai 2009, die gegen britische, aus dem Irak heimkehrende Soldaten demonstriert hatten.

Als Erwiderung auf diese "Provokation" organisierte die neu gegründete Englische und Walisische Verteidigungsliga einige Wochen später einen Marsch durch die nördlich von London gelegene Kleinstadt. Aus dem Aufzug mit 300 Teilnehmern brachen Hooligans und Neonazis hervor und versuchten das muslimische Viertel der Stadt zu stürmen. Autos und Läden wurden beschädigt.

Es folgten weitere Aufmärsche quer durch England, oft begleitet von gewalttätigen Angriffen auf Gegendemonstranten, Menschen, die vermeintlich ihrem Feindbild entsprechen und die Polizei.

Neofaschistisch oder rassistisch zu sein, weist die EDL indes stets weit von sich, sie seien patriotisch. Die Kontakte zur neofaschistischen BNP sind unübersehbar und durch Recherchen des britischen Magazins Searchlight immer wieder belegt worden. Ihr Chefredakteur Nick Lowles wies in seinem Blog darauf hin, dass der Anführer der EDL, Stephen Yaxley-Lennon, zwei Wochen zuvor verurteilt wurde, weil er eine Schlägerei anführte, in die 100 Fußballfans verwickelt waren.

Das war nicht seine erste Strafe. In seinem Register findet sich auch eine Verurteilung wegen eines Angriffs auf einen Polizeibeamten. Letztlich entspricht er damit aber dem Profil der EDL-Mitglieder und -Unterstützer, von denen viele wegen Körperverletzungsdelikten verurteilt worden sind, einige sogar wegen Brandanschlägen auf Moscheen. "Ihr rücksichtloses Vorgehen und die gewalttätigen Proteste haben den britischen Steuerzahler bereits mehr als zehn Millionen Pfund gekostet", betont Lowles. Der Aufruf der EDL, auf den Straßen im Sinne einer Bürgerwehr Patrouille zu gehen, scheint daher wie der Versuch ein Feuer mit Benzin zu löschen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.