FC Bayern und das Hoeneß-Problem: Ohne Vision aus der Zeit gefallen
Vereinspatron Uli Hoeneß verschleißt beim FC Bayern mit Sportvorstand Max Eberl die nächste Topkraft. Das Problem ist auch eine überholte Klubkultur.

E r hat es wieder getan. Der mächtige Bayern-Patriarch Hoeneß hat wohl das Aus für den nächsten seiner bemitleidenswerten Nachfolger eingeleitet. Ob Max Eberl in den nächsten Tagen, Wochen oder erst zu Saisonende als Sportvorstand hinschmeißt, ist kaum mehr entscheidend, eine Zukunft für ihn beim FC Bayern ist schwer vorstellbar. Und vermutlich ist es auch für Eberl seelisch nicht ratsam, sich länger dort aufzuhalten.
Der Klub, der früher als chaotischer, aber erfolgreicher FC Hollywood zu unterhalten wusste, entwickelt zunehmend eher die Aura eines toxischen Schalke in größer. Womöglich hat sich dabei an der Klubkultur gar nicht viel geändert – geändert haben sich die Zeiten.
„Wenn wir die Leute an den richtigen Posten haben, können wir uns zurückziehen, der Kalle und ich“, hatte Hoeneß bei seinem Doppelpass-Auftritt vielsagend erklärt. Zugleich hatte er Eberl lang und breit belehrt. Der müsse die Transfers früher machen, „wenn die großen Teams noch nicht aktiv sind“, und „endlich begreifen“, dass man Dinge auf mehrere Schultern verteilt (sagt ausgerechnet Hoeneß). Und „ziemlich empfindlich“ sei er auch. Als handele es sich um einen Branchenneuling und nicht um einen Spitzenmanager, der vor einem Jahr noch als Heilsbringer galt. Der respektlose Umgang mit Topkräften zieht sich durch die letzten Jahre. Nun soll alles wieder nicht so gemeint gewesen sein.
Womöglich war all das in München immer schon so, man denke an den Umgang mit Guardiola. Aber früher war es verzeihlicher, weil erstens andere mit ähnlicher Hybris agierten und die Verwissenschaftlichung des Fußballs weniger vorangeschritten war. Zweitens wirkte der aggressive Macho-Führungsstil noch nicht derart peinlich überholt wie heute. Der wird in Zeiten von Social Media ein unkontrollierbarer Chaosquell.
Manager ohne Macht
Seit rund einem Jahrzehnt ist der FC Bayern dabei, sich als Spitzenklub zu demontieren. Ob der blasse Christian Nerlinger, der überforderte Hasan Salihamidžić oder jetzt Max Eberl, kein Hoeneß-Nachfolger ist dem greisen Mann gut genug. Während die ersteren beiden als Kernkompetenz vor allem Stallgeruch und Hörigkeit hatten, bringt Eberl durchaus eigene Vorstellungen mit. Er könnte der richtige Mann für einen Neuaufbau sein. Doch sein Abschneiden als Bayern-Manager lässt sich kaum beurteilen, denn er wirkt wie ein Kapitän ohne Hoheit über sein Schiff. Hoeneß’ Spardiktat erlaubt es ihm auch nicht, irgendeinen Umbruch einzuleiten, zugleich wird er genau dafür gescholten.
Gern wird der FC Bayern aktuell mit einem Familienunternehmen verglichen, wo der Patriarch nicht loslassen kann. Das ist aber nur ein Teil des Problems. Offensichtlich fehlt zudem ein realistischer Blick aufs Geschäft. Der FC Bayern hat international gegen Staatsfonds, Multiple-Club-Konstrukte und Private-Equity-Investoren keine Chance. Das alte Konzept, fertige Superstars zu kaufen, funktioniert nicht mehr. Statt eine neue Vision zu entwickeln oder sich als Ausbildungsklub oder Zwischenstation neu zu erfinden, gibt man sich völlig überholten Illusionen hin.
Je größer die Tumulte werden, desto unattraktiver wiederum wird der Klub für Außenstehende. Schon bei der Trainersuche erlebte man das zuletzt schmerzhaft. Es geht deshalb nicht mehr nur darum, dass Hoeneß endlich loslässt. Es gibt offenbar einen grundsätzlichen Unwillen zur Veränderung und Unfähigkeit, sich an ein wandelndes Umfeld anzupassen.
Dass Akteure wie Präsident Hainer sich hinter Hoeneß stellen, ist kein gutes Zeichen. Schon andere dicke alte Schiffe wie Manchester United und Juventus Turin haben – aus verschiedenen Gründen – den Anschluss an die Fußballmoderne verpasst. Nicht überraschend, wenn es auch den FC Bayern erwischt. Untergehen wird er daran natürlich nicht. Aber vielleicht nur noch mitschwimmen. Max Eberl ist bis dahin hoffentlich woanders.
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