FDP-Experte über NPD-Verbot: "Scheitern wäre eine Katastrophe"

Der FDP-Rechtsextremismusexperte Ruppert über Rassismus, undurchsichtige Verfassungsschützer und warum ein übereiltes zweites NPD-Verbotsverfahren riskant wäre.

"Die NPD ist eine verfassungswidrige Partei", sagt Stefan Ruppert. Bild: dpa

taz: Herr Ruppert, vor ihrer Zeit als Abgeordneter waren sie für das erste NPD-Verbotsverfahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Bundesverfassungsgericht ausgeliehen. Ist es acht Jahre später Zeit für einen zweiten Anlauf für ein Verbot?

Stefan Ruppert: Ich bleibe skeptisch. Ein Parteiverbot ist für mich die Ultima Ratio. Andere Demokratien kommen sogar ganz ohne dieses Instrument aus. Aber wenn sich Bund und Länder darauf einigen, einen zweiten Anlauf zu starten, muss der erfolgreich sein. Andernfalls wäre das eine Katastrophe.

Was spricht gegen ein Verbot?

Die NPD ist eine verfassungswidrige Partei, daran habe ich keinen Zweifel. Aber mit einem Verbot trifft man nur einen Teil der rechtsextremen Szene. Kameradschaften und andere lose organisierten Gruppen wird es weiter geben. Und auch der Rassismus in der Mitte der Gesellschaft wird dadurch nicht verschwinden. Die Gefahr ist, dass sich die Gesellschaft nach einem NPD-Verbot zurücklehnt, weil sie das Problem für gelöst hält.

Seit vergangener Woche sitzt der ehemalige NPD-Landesvize von Thüringen in Untersuchungshaft, weil er der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) eine Waffe verschafft haben soll. Das hat einige Verbotsskeptiker umdenken lassen.

Die entscheidende Frage wird aber sein: Hat die NPD als Partei von den mörderischen Taten des NSU gewusst und nichts gegen sie unternommen oder die Taten gar aktiv befördert? Dann wäre die NPD selbst ein Terrorinstrument. Das kann ich so nicht erkennen, zumindest im Moment noch nicht.

,40, ist Rechtsextremismusexperte der FDP-Bundestagsfraktion. Der Jurist ist zudem Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte und war von 2001 bis 2003 an das Bundesverfassungsgericht abgeordnet.

Wenn sich die Länderinnenminister diese Woche in Wiesbaden treffen erwarten viele Beobachter dennoch ein Signal für ein NPD-Verbot. Was müsste geschehen, damit ein neuer Antrag in Karlsruhe bestand haben kann?

Das Bundesverfassungsgericht hat damals hohe - wie ich finde sogar zu hohe - Hürden aufgestellt. Demnach müssten zumindest auf den Führungsebenen der NPD alle V-Leute des Verfassungsschutzes abgeschaltet werden.

Das könnte man ja machen.

Ich glaube nicht, dass alle Verfassungsschutzämter dazu bereit sind. Die Erfahrung aus dem ersten Verfahren zeigt, dass die einzelnen Ämter nicht ihre Karten auf den Tisch legen wollten. Und das sehe ich nach wie vor als ein großes Problem. Die Verbotsanträge im ersten Verfahren waren schlecht, auch weil sich Bund und Länder beim Tempo überbieten wollten. Meine Sorge ist, dass man jetzt wieder zu schnell in ein Verfahren hineinstolpert - und am Ende nochmal scheitert.

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