FDP und CDU nach Saarland-Wahl: Auf den Rauswurf folgt die Abgrenzung

Bei den Liberalen wird nach dem desaströsen Wahlergebnis im Saarland die Direktive ausgegeben, „die Nerven zu bewahren“. Bundeskanzlerin Merkel sieht keine Gefahr auf Bundesebene.

„Wählerstimmen mobilisieren“ statt Notausgang: für die kommenden Landtagswahlen gibt sich FDP-Politiker Patrick Döring kämpferisch. Bild: dpa

BERLIN dpa | Nach der Saarland-Wahl mit einem klaren Sieg der CDU und dem dramatischen Absturz der FDP sind beide Parteien in Berlin um eine Beruhigung des Koalitionsklimas bemüht. FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr warnte seine Partei nach dem 1,2-Prozent-Debakel vor Kurzschluss-Reaktionen.

„Ich rate uns allen, jetzt die Nerven zu bewahren“, sagte er am Montag vor einer Präsidiumssitzung. In der Berliner Koalition mit der Union sollten die Liberalen auf gelassene Sacharbeit setzen. „Und nicht überlegen, wie man Konflikte sucht und um des Teufels willen für die Wahlen irgendetwas nach vorne treibt.“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Peter Altmaier (CDU), warnte die FDP vor Profilierungsversuchen. Die Liberalen hätten sich im Saarland „selbst zerlegt“, sagte er im Deutschlandradio Kultur. Er hoffe auf einen gewissen Nachdenkeffekt als Folge der Wahlergebnisse. „Einer dieser Schlüsse ist, dass die Menschen nicht wollen, dass wir streiten“, betonte Altmaier. „Das gilt für alle, das gilt auch für unseren Koalitionspartner.“

Bei der Landtagswahl im Saarland kam die CDU laut vorläufigem amtlichen Endergebnis auf 35,2 Prozent der Stimmen und lag damit leicht über ihrem Niveau von 2009 (34,5). Die bislang oppositionelle SPD gewann rund sechs Punkte auf 30,6 Prozent (2009: 24,5). Die Linke mit Spitzenkandidat Oskar Lafontaine verlor gut fünf Punkte auf 16,1 Prozent (2009: 21,3).

NRW-Spitzenkandidat Norbert Röttgen wertet das gute Abschneiden der CDU im Saarland durchaus auch als Ermutigung für den eigenen Landtagswahlkampf. Das Ergebnis zeige, „dass wenn man kämpft, man gewinnen kann“, sagte der CDU-Politiker am Montag in Berlin. Die CDU habe in Nordrhein-Westfalen, wo am 13. Mai gewählt wird, noch „Aufholpotenzial“, die Situation sei „relativ offen“. Der Frage, ob er auch als Oppositionsführer nach Düsseldorf gehen werde, wich Röttgen erneut aus. Eine Koalitionsaussage machte er nicht.

Die Bürger in Nordrhein-Westfalen seien im Kern daran interessiert, wie es um die Zukunft des Landes bestellt sei, sagte Röttgen und nannte als Themen unter anderem die Versorgung mit Kindertagesplätzen für Unterdreijährige und die Verschuldung. Die Frage, ob er auch im Falle einer Niederlage von Berlin nach Nordrhein-Westfalen wechseln werde, sei für die Bürger den Umfragen zufolge hingegen drittrangig, sagte der Bundesumweltminister. Die Bürger interessierten sich „verständlicherweise für ihre eigene Situation“.

Eine Koalitionsaussage machte Röttgen nicht. Die CDU arbeite daran, dass sie in NRW eine Koalition führen könne. Seine Partei wolle so stark werden, „dass sie vielleicht mehrere Optionen“ für politische Bündnisse habe, sagte er. (dapd)

Negativrekord der FDP

Die FDP stürzte auf 1,2 Prozent ab (2009: 9,2) - ihr bisher schlechtestes Landtagswahlergebnis in einem westdeutschen Bundesland. Die Grünen schafften mit 5,0 Prozent gerade noch den Einzug in den Landtag (2009: 5,9). Die Piraten erreichten 7,4 Prozent und ziehen nach Berlin zum zweiten Mal in ein Landesparlament ein.

Die FDP flog damit innerhalb eines Jahres bereits zum sechsten Mal aus einem Landtag. Auch bei den Wahlen in Schleswig-Holstein (6. Mai) und Nordrhein-Westfalen (13. Mai) droht ihr ein Scheitern. Um dies zu verhindern, setzen die Liberalen zunehmend auf eine schärfere Abgrenzung von der Union.

Der designierte Generalsekretär Patrick Döring sagte am Montag im ARD-„Morgenmagazin“, in beiden Ländern lasse die CDU mit ihrer Positionierung der FDP viel Platz. „Und den müssen wir nutzen - auch in Abgrenzung zur Union.“ Jede Partei kämpfe für sich. „Es gibt keine Koalitionsaussage in beiden Ländern, und deshalb muss die FDP mit eigenen Themen (...) Wählerstimmen mobilisieren.“

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe bezeichnete im Deutschlandfunk die Lage des Koalitionspartners im Bund als „sehr ernst“. Er betonte aber, das schlechte Abschneiden am Sonntag sei ein „sehr starkes Saarland-spezifisches Ergebnis“, das unter anderem auf die Zerrissenheit der Saar-FDP zurückzuführen sei. Es sei verfrüht, so zu tun, als werde die FDP bald von der politischen Landkarte verschwinden. „Gleichzeitig gilt: Jede Partei wirbt für sich selbst.“

Sozialdemokratie gewinnt, sagt Gabriel

SPD-Chef Sigmar Gabriel wertete das Saar-Ergebnis als guten Auftakt für die bevorstehenden Wahlen. „Die Sozialdemokratie hat gewonnen“, sagte er im WDR. Nach seiner Ansicht war die Entscheidung an der Saar „ein gutes Zeichen“ für die beiden weiteren Wahlen im Mai, auch wenn die SPD ihr Hauptziel nicht erreicht habe. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sei die Ausgangslage für die SPD günstiger, weil es dort klare rot-grüne Optionen gebe.

Im Saarland steuern CDU und SPD derweil auf die Bildung einer großen Koalition zu. Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) kündigte an, die SPD als vollwertigen Partner zu akzeptieren. „Wir werden auf jeden Fall eine Koalition auf Augenhöhe sein - auch getragen von Respekt“, sagte sie dem Saarländischen Rundfunk (SR).

„Deswegen wird das sicherlich auch ein gutes Einvernehmen in dieser Koalition geben.“ Für den Absturz der Saar-Liberalen trägt nach ihren Worten die FDP-Landesparteispitze die Verantwortung. „Vor allen Dingen war es auch das Verhalten des Führungspersonals, das die Partei selbst an die Wand gefahren hat.“

Der saarländische SPD-Spitzenkandidat Heiko Maas strebt rasche Koalitionsverhandlungen mit der CDU an. Dabei werde seine Partei aus einer „machtvollen Position“ heraus verhandeln, kündigte er am Montag vor einer Treffen mit dem SPD-Bundesvorstand in Berlin an.

Lafontaine: Gemeinsamkeiten mit der SPD hervorheben

Maas verwies auf den Stimmenzuwachs von sechs Prozent für die SPD. „Wir sind die, ohne die es nicht geht.“ Er hätte sich gewünscht, als künftiger Ministerpräsident nach Berlin zu kommen. Nun habe er mit dafür gesorgt, der SPD eine weitere Regierungsbeteiligung zu sichern.

Saar-Linksfraktionschef Oskar Lafontaine will künftig die Gemeinsamkeiten mit der SPD hervorheben. „Es geht nicht um irgendwelche Buchstaben, es geht um politische Inhalte“, sagte er am Montag. „Die linke Mehrheit heißt für mich Mindestlohn (...) und nicht die Sanierung des Haushaltes in erster Linie über Einsparungen im öffentlichen Dienst.“

Merkel sieht Koalition nicht gefährdet

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht ihre schwarz-gelbe Koalition durch den Niedergang der FDP bei der Landtagswahl im Saarland nicht gefährdet. „Wer sich mit den Details des Saarlandes befasst hat, weiß dass das Saarland das Saarland ist. Wir arbeiten in Berlin gut zusammen“, sagte Merkel am Montag bei einem gemeinsamen Auftritt mit der saarländischen Ministerpräsidentin mit Kramp-Karrenbauer in Berlin.

Es gebe keinerlei Parallelen zwischen der Situation an der Saar und in Berlin. CDU, CSU und FDP hätten im Bund in vielen Fragen Kompromisse gefunden. „Wir haben viel vor uns und werden unsere Arbeit in der christlich-liberalen Koalition gut weitererfüllen. (...) Ich gehe von einer vernünftigen, guten Zusammenarbeit im Dienste der Sache und den notwendigen Entscheidungen in Deutschland aus.“

Merkel bescheinigte Kramp-Karrenbauer Mut, die schwarz-gelb-grüne Koalition im Januar wegen der internen Differenzen der FDP aufgekündigt zu haben. „Annegret Kramp-Karrenbauer ist einen mutigen Weg gegangen.“ Anfänglich hätten die Umfragewerte für die CDU nicht so gut ausgesehen. Dann habe sie mit einem deutlichen Vorsprung gewonnen. „Wir haben gesehen, dass kämpfen sich lohnt.“ Das sei auch Ansporn für die Spitzenkandidaten der CDU für die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Mai.

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