Facebook beantragt Börsengang: Das teuerste Netzwerk der Welt

Facebook könnte an der Börse zu einem der teuersten Unternehmen der Welt werden. Doch dafür muss das soziale Netzwerk mehr Werbekunden gewinnen.

Tendenz nach oben offen. Zuckerbergs Baby geht an die Börse Bild: dapd

BERLIN taz | Es ist passiert: Facebook hat offiziell den Börsengang beantragt. Ziel des Ganzen: Geld in die Kassen zu spülen einerseits, andererseits langjährigen Investoren das "Kasse machen" ermöglichen. Denn vor allem diese finanzierten das Bindeglied zwischen über 800 Millionen Menschen in den vergangenen sieben Jahren. Facebook kalkuliert aber zunächst vorsichtig und will mit lediglich fünf Milliarden Dollar an die Börse.

Die Schätzungen gehen auseinander, wie viel der Börsengang einbringen soll: auf zwischen 75 und 100 Milliarden Euro soll der Gesamtwert der Firma steigen, erwarten Analysten. Jedes einzelne Nutzerprofil wäre also im Schnitt bis zu 125 Doller wert. Der Wert von Facebook würde fast doppelt so hoch sein wie die Autobauer Daimler und BMW und würde sogar vor Siemens, der sprichwörtlichen "Bank mit angeschlossenem Elektroladen", rangieren.

Und das, obwohl Facebook gerade einmal zwei Milliarden Euro Umsatz verzeichnet – einen Bruchteil der alten Industrieunternehmen, aber auch von anderen Netzkonzernen wie Google, IBM oder Apple. Offenbar gibt es viel Phantasie, was Zuckerbergs Netzwerk in der Zukunft noch einspielen könnte.

Die Timeline, in der deutschen Version heißt sie Chronik, ist eine neue Darstellungsform für die Profile der Nutzer des Sozialen Netzwerks Facebook. Es werden alle Ereignisse wie Statusupdates, geschlossene Freundschaften, Pinnwandeinträge oder auch Meldungen zum Partnerstatus, neue Einträge in den Angaben zur eigenen Person oder Fotos. Und das rückwärts nachvollziehbar bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Nutzer sein Facebookkonto angelegt hat. Wer möchte, kann auch bis zum Zeitpunkt seiner Geburt zurück Daten, Fotos und Ereignisse an Facebook verfüttern.

In den kommenden Wochen will Facebook nach und nach alle Profile umstellen.

Mit der neuen Profilansicht soll eine ganz neue Art von Anwendungen kommen: Timeline-Apps heißen sie und sie sollen dafür sorgen, dass die Nutzer noch mehr voneinander mitbekommen können. Mittels dieser Anwendungen könnte man zum Beispiel in sein Facebookprofil automatisiert Informationen laufen lassen, welche Musik man gerade hört, welche Artikel der Nutzer liest, welchen Film sie gerade schaut oder welches Produkt er gerade gekauft hat. Facebook will anhand dieser Informationen noch genauere Werbung an die Nutzer ausliefern können – dafür analysiert es alles, was in die Timeline hineinfließt. Facebook bietet seinen Kunden gegen Geld die Möglichkeit, anhand der Daten der Nutzer diese mit Werbung auf der Plattform zu bespielen.

Für die Nutzer heißt die Einführung, dass viele Einträge, die vielleicht schon vergessen schienen, plötzlich wieder einfach für die anderen Nutzer verfügbar werden. Wer beispielsweise vor drei Jahren seinen Partnerschaftsstatus auf "Es ist kompliziert" geändert hat, will vielleicht nicht mehr, dass das heute noch abrufbar ist. Und auch die eine oder andere kleine alte Anmerkung über Mitmenschen, Arbeitgeber oder Politik gehört vielleicht nicht

Ja. Und auf "gefällt mir" drücken oder das kommentieren.

Kritiker wie der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sagen, dass Facebook hier nun eine "rote Linie" überschreiten würde: Nutzer würden nun beinahe lückenlos erfasst.

Tatsächlich könnte man meinen, dass Nutzer, die alle Möglichkeiten Facebooks nutzen und Facebook automatisiert verraten, wo sie sich in der Fleischwelt aufhalten, möglichst viele Timeline-Anwendungen nutzen und entweder häufig aktiv Fotos und Videos hochladen oder Freunde haben, die das für einen übernehmen, sich eine Art eigene Stasi-Akte bauen.

Die Befürworter sehen vor allem die Möglichkeiten, die mit den Timeline-Anwendungen kommen. Mit diesen lassen sich bestimmte Dinge einfacher mit anderen Menschen „teilen“. Manche argumentieren auch, dass mit der Chronik klarer würde, was Facebook alles über einen weiß.

Klar. Aber je länger und intensiver man Facebook benutzt hat, umso schwieriger wird es, diese Inhalte zu entfernen.

Das kommt auf die eigenen Einstellungen an. Naturgemäß sieht Facebook als Betreiber alles. Aber ansonsten müssen sich die Nutzer selbst Gedanken darüber machen, welche Freunde sie in welchen Listen organisieren. Und dann sollten sie die Inhalte nur für diese Listen freigeben. Insbesondere rückwirkend kann das eine Menge Arbeit machen. Daher kann man auch die Sichtbarkeit älterer Beiträge pauschal einschränken.

Wer auf Facebook nicht verzichten will, sollte sich einen Tee kochen, etwas Zeit mitbringen und auf jeden Fall facebook.com/privacy aufrufen und dort seine Einstellungen überprüfen.

Nachhaltige Veränderung des Unternehmens

Das liegt vor allem an der schieren Nutzerzahl: ein Zehntel der Weltbevölkerung hat bei Facebook ein Profil angelegt, eine schier unglaubliche Zahl. Was am 4. April 2004 als kleine Studentenunternehmung begann, führt nun zu einem Börsengang, der die Ausrichtung des Unternehmens nachhaltig verändern könnte.

Denn bislang glich Facebook am ehesten einem Familienunternehmen: Mark Zuckerberg, sein Clan und seine Freunde hatten eindeutig das Sagen. Und das trotz diverser Großinvestoren wie einem russischen Internetunternehmer, der das Mail.ru-Imperium betreibt, und Microsoft, das 2007 in einem Beteiligungswettstreit mit Google gewann und für 1,6 Prozent am Unternehmen etwa 200 Millionen Euro auf den Tisch legte.

Damals schätzte der Windows-Hersteller den Wert von Facebook auf etwa 15 Milliarden Euro – auch Microsoft-CEO Steve Ballmer dürfte sich über den Börsengang also freuen. Gleiches gilt für viele Investoren der ersten Stunde, aber auch für Angestellte: sie können nun ihre Anteile versilbern, die ihnen die Arbeit beim Blaumann Zuckerberg einst versüßt haben.

Mehr Werbekunden und teurere Werbung

Mittelfristig könnte sich auch für die Nutzer einiges ändern: die vielen neuen Teilhaber dürften darauf drängen, für ihre Investition bald auch belohnt zu werden. Zwar arbeitet Facebook bereits profitabel, doch von den Margen eines Unternehmens wie Google ist das Netzwerk noch meilenweit entfernt: Larry Page und Sergej Brins Firma hat im Jahr 2011 knapp 38 Milliarden Euro Umsatz gemacht. Wenn Facebook in ähnliche Regionen aufsteigen möchte, steht ihm noch ein langer Weg bevor.

Für das werbefinanzierte Modell heißt das: Facebook muss deutlich mehr Werbekunden gewinnen und teurere Werbung verkaufen. Dies könnte durchaus zu Lasten Googles und anderer gleichartiger Firmen im Netz gehen. Doch Facebook hat einen großen Nachteil: es hat nur ein einziges Produkt – sich selbst.

Während Google, Apple und Microsoft mit einem ganzen Portfolio an Seiten, Hard- und Software in verschiedenen Segmenten unterwegs ist, muss Facebook darauf vertrauen, dass die Nutzer nicht weglaufen – beispielsweise zu Googles Plus-Konkurrenz oder zum nicht börsennotierten Twitter aus San Francisco.

Mark Zuckerberg selbst gilt nicht als Freund des Börsengangs. Der immer noch junge Gründer der Firma, der auf dem Papier bereits zum Multimilliardär aufstieg, hätte das Unternehmen wohl gerne noch etwas länger von der Börse ferngehalten. Doch ab der Zahl von 500 Anteilseignern müssen US-Unternehmen umfangreichen Öffentlichkeitspflichten nachkommen – und die ist wohl nun erreicht.

Wenn Facebook nun zum Börsengang schreitet, könnten die Papier schon im Spätfrühling an der New Yorker Börse gehandelt werden.

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