Fahrassistenten können Leben retten: Unfallgeschehen positiv beeinflussbar

Abbiegeassistenten warnen den LKW-Fahrer, wenn sich ein Fahrradfahrer nähert. Mehr als 40 Prozent dieser Unfälle wären so vermeidbar.

Läge hier ein Fahrradfahrer drunter, sähe es schlecht für ihn aus. Bild: dpa

Ein Auto, das vollautomatisch bremst, wenn der im Sekundenschlaf versunkene Fahrer auf der Autobahn auf ein Stauende zurast, ein Lkw, der seinen Fahrer warnt, wenn er beim Abbiegen einen Fahrradfahrer oder Fußgänger übersieht – Fahrassistenzsysteme können schwere Unfälle verhindern oder deren Folgen schmälern.

Damit würde nicht nur menschliches Leid vermieden, sondern auch hoher volkswirtschaftlicher Schaden. Eine Studie der Unfallforschung der Versicherer (GDV), einer Forschungseinrichtung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, kommt zu klaren Ergebnissen, vor allem bei den Abbiegeassistenten für Lkw. Demnach könnten knapp 43 Prozent aller Unfälle zwischen Lkw und Fahrradfahrern oder Fußgängern vermieden werden, wenn die Laster mit einem Abbiegeassistenten ausgestattet wären.

Dieser Assistent beobachtet mit Sensoren den Straßenraum vor und neben dem Laster und warnt den Fahrer, wenn sich ein Radler nähert. Gegebenenfalls verhindert der Assistent automatisch das Anfahren an einer Kreuzung. Mit solchen Assistenten wären damit, so das Ergebnis der Studie der Versicherungswirtschaft, 31 Prozent der Getöteten und 43 Prozent der Schwerverletzten vermeidbar.

„Dies zeigt deutlich den hohen Nutzen des Systems, insbesondere vor dem Hintergrund, dass über 90 Prozent der hier verunglückten Radfahrer und Fußgänger getötet oder schwer verletzt wurden“, heißt es in der Studie der Unfallforscher der Versicherer.

Der Studie zugrunde liegen die Daten der rund 3,4 Millionen Kfz-Haftpflichtschadensfälle des Jahres 2009 in Deutschland. Aus der Gesamtzahl der Schadensfälle wird jährlich eine Art repräsentative Stichprobe erstellt, die jeweils 700 bis 1.000 Fälle umfasst. Diese Stichprobe bildete die Grundlage der GDV-Studie, die das Sicherheitspotenzial von Fahrassistenzsystemen ermitteln sollte.

Auf Vermeidbarkeit untersucht

Einzelne Unfallkonstellationen, also etwa „Lkw überrollt beim Abbiegen Radfahrer oder Fußgänger“, wurden methodisch so in eine überschaubare Fallzahl gebracht, die näher untersucht werden konnte. „Jeder Fall wurde in seinem Ablauf neu betrachtet und dabei beurteilt, ob unter den getroffenen Annahmen (zum Beispiel Fahrer leitet Notbremsung ein, System verhindert Anfahren) eine Vermeidbarkeit gegeben wäre“, schreiben die Unfallforscher.

Dabei berücksichtigten sie auch, ob der Lkw-Fahrer sich falsch verhalten hat. „Kam es beispielsweise zum Unfall, weil der Radfahrer beim Überholtwerden einen Schlenker machte und nach dem Kontakt mit dem Lkw stürzte (das heißt, dass der Lkw-Fahrer hier keinerlei Einfluss hätte nehmen können), so galt der Unfall als nicht vermeidbar.“ Einen solchen Unfall hätte dann nämlich auch ein Fahrassistenzsystem nicht verhindert.

3.991 Menschen starben im Jahr 2011 auf deutschen Straßen, teilte das Statistische Bundesamt nach vorläufigen Ergebnissen mit. Dies waren 9,4 Prozent mehr als im Vorjahr.

Von Januar bis November 2011 kamen 378 Fahrradfahrer ums Leben, das entspricht einer Zunahme von 1,6 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum. Die Statistiker führen den Anstieg der Zahl der Verkehrstoten auch auf häufige schöne Witterungsperioden zurück. Dann sind mehr Menschen unterwegs. (rot)

Insgesamt ziehen die Unfallforscher jedoch ein positives Fazit der potenziellen Wirksamkeit der Fahrassistenten. Diese könnten über alle Systeme hinweg – vom Notbremsassistenten über Totwinkelwarner bis hin zum Abbiegeassistenten – das Schaden- beziehungsweise Unfallgeschehen positiv beeinflussen, analysieren die Forscher.

Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) sieht sich durch die Studie in seiner Forderung nach gesetzlichen Vorgaben bestätigt, alle neuen Lkw mit elektronischen Abbiegeassistenten auszustatten. Fahrradfahrer und Fußgänger könnten so vor Schaden bewahrt werden, sagte ADFC-Chef Ulrich Syberg. Diese Art der Sicherheitstechnik sei keine Utopie. Syberg: „Die Automobilindustrie ist technisch schon weiter als der Gesetzgeber in seinen Planungen für die Verbesserung der Verkehrssicherheit.“

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