„Fair“ gehandelter Kaffee: Bitterer Beigeschmack

Viele Konsumenten kaufen fairen Kaffee mit gutem Gewissen. Doch der Preisaufschlag, der in Deutschland für „fair“ gezahlt wird, ist zu gering.

Eine Hand voller Kaffeebohnen

Die Misere liegt am System des globalen Handels – es treibt viele Kaffeebauern in den Ruin Foto: ap

Hmmm, heute schon ein Tässchen Kaffee genossen? Wenn, dann bestimmt den fairen, oder? Weil fairer Robusta und Arabica nicht nur gut schmecken, sondern auch noch das Gefühl geben, etwas Gutes getan zu haben: Für die armen Erzeugerländer im globalen Süden. Fairer Kaffee ist ein Wohlfühlprodukt. Aber die Wahrheit auch über diesen Kaffee ist bitter – vor allem für die ProduzentInnen. Zwar stammt jede zwanzigste Tasse Kaffee, die in Deutschland getrunken wird, mittlerweile aus fairem Handel. Das ist ein Erfolg. Und doch ist der Preisaufschlag, der hierzulande für „fair“ gezahlt wird, vergleichsweise lächerlich. Er bringt nur im Norden Wohlgefühl. Wäre er höher und nachhaltiger, wäre fairer Kaffee hier nicht mehr so beliebt.

Die Misere liegt am etablierten System des globalen Handels. Es treibt derzeit Hunderttausende Kaffeebauern in den Ruin. Weil sich der Anbau vielerorts auch wegen des Klimawandels nicht mehr lohnt, setzen einige ProduzentInnen auf Coca. Oder sie fliehen gen Norden. Wer konventionell anbaut, bekommt die Produktionskosten nicht mehr herein, wer unter fairen Bedingungen produziert, erzielt bei den derzeit historisch niedrigen Börsenpreisen keine Rendite. Gleichzeitig stoßen sich Konzerne, Röster und Baristas im Norden am Modeprodukt Kaffee gesund.

Dabei gibt es Lösungen für diese unfassbare Unverhältnismäßigkeit. Vergleichsweise moderat: die Streichung der Steuer für fairen Kaffee. CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller fordert sie, allerdings wohl wissend, dass SPD-Finanzminister Olaf Scholz sie nicht mittragen wird. Da wir 2,19 Euro pro Kilo Röstkaffee zahlen, fehlten dem Fiskus etwa 80 Millionen Euro.

Effizienter und ehrlicher: nachprüfbare Verpflichtung hiesiger Firmen, in ihren Lieferketten die Würde der ProduzentInnen zu achten. Nur wer Produkte unter menschenwürdigen Bedingungen herstellen lässt, soll sie hier in die Supermarktregale stellen dürfen. Fairer Lohn, faires Einkommen, faire Behandlung, faire Arbeitszeiten, keine Kinderarbeit – und enkeltaugliche Produktion ohne Pestizide. Am besten natürlich: das alles nicht nur für Kaffee.

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Ist Leiter des Ressorts Wirtschaft und Umwelt. Er hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz.

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