Faires Betriebssystem: Süßer Sprudel der Ideen

Premium-Cola will eine neue Unternehmensform etablieren, die alle mit einbindet: Vom Hersteller bis zum Kunden. Und stößt wegen zu vieler "Labertaschen"an seine Grenzen.

Danke. Nein. Davon haben die Macher von Premium-Cola genug: Britney Spears präsentiert eine Pepsi. Ach ja. Und dann war da noch dieser Pepsi-Geschmack. Bild: reuters

Ständig sitzen junge Kreative in der Küche rum und grübeln, was denn ein gutes Geschäft werden könnte. Manchmal kommen sie auf eine sympathische, kleine Cola; für Leute, die auf trendige Konsumdistinktion stehen oder den Getränkemulti Coca-Cola (und auch Pepsi) politisch ablehnen. Meist wollen diese kleinen Unternehmen groß werden und Geld verdienen - wie der Limonadehersteller Bionade.

Premium-Cola will nicht groß werden. Bei Premium geht es auch nicht primär um Cola - obwohl sie sehr gut schmeckt. Und obwohl Premium als Protest von Cola-Connaisseuren startete. Im Kern geht es bei Premium um die Idee des anderen Wirtschaftens, um ein neues "Betriebssystem": fair und nachhaltig wirtschaften und alle Einnahmen gerecht verteilen. Bliebe am Ende etwas übrig, hätte man vom Kunden zu viel Geld genommen. Oder Mitarbeitern zu wenig abgegeben. So sieht Uwe Lübbermann das.

Lübbermann, 33, lebt in Hamburg, arbeitet an der Uni Lüneburg und ist im Kollektiv "für das Gesamtsystem verantwortlich", wie es offiziell heißt. Er ist der Macher, der sich um alles kümmert. Will Lübbermann den Kapitalismus überwinden? "Das kann man so nicht sagen", sagt er. Was ihm "linke Kritiker" selbstverständlich vorwerfen. Auch Premium wolle letztlich "den Kapitalismus kuscheliger machen", heiße es. Lübbermann sagt, er sei früher eine Art "Steineschmeißer" gewesen. Schöne Zeit. Er denkt gern daran zurück. Allerdings verändere man damit in der Regel nichts. Nun sieht er sich als "Stachel im Arsch des Kapitalismus". Er will zeigen, dass man im System problematische Marktmechanismen durch bessere ersetzen kann. Darum gibt es inzwischen auch Premium-Biobier. Und darum ist Premium-Kaffee in Planung.

Premium ist also kein linkes Projekt des 20. Jahrhunderts. Dafür die Realisierung von etwas, das manche für völlig unrealisierbar halten. Das manche für einen Weg halten, die Wirtschaft des 21. Jahrhunderts ökosozial zu transformieren. Während beim Shareholder-Modell die monetären Interessen der Aktionäre alle Aktionen definieren, arbeitet das neue Modell auf Basis pluralistischer Einbindung aller Interessengruppen ("Stakeholder"). Alle meint alle: Die Nördlinger Getränkefirma, die die Cola herstellt, die Speditionen, die Getränkeläden, die Kneipen. Und die Kunden. Auf der anderen Seite müssen auch ökosoziale Ansprüche erfüllt werden. Nicht jeder Laden kriegt Premium.

Das virtuelle Unternehmen

Das alles geht weit hinaus über das, was bei Trendtagungen als "Corporate Social Responsibility" (CSR) beschworen wird, als gesellschaftlich verantwortliche Unternehmensverantwortung. Lübbermann schätzt, dass Premium derzeit etwa 600 Leute hat, die man Stakeholder nennen kann. "Premium ist letztlich ein Netzwerk", heißt es beim Berliner Getränkehändler Gekko: "Wir sehen uns als aktiv Beteiligte."

Vielleicht sollte man jetzt erwähnen, dass Premium ein virtuelles Unternehmen ist. Entscheidungen werden in virtuellen Konferenzen getroffen. Es gibt kein Büro, keine Lagerhalle, kein Kapital. Das Bier hat man mit 1.500 Euro an den Start gebracht. Den Außendienst übernimmt der Kunde. Es läuft so: Jemand trinkt Premium und möchte, dass es das auch woanders gibt. So wird er "Sprecher" von Premium, geht in seine Stammkneipen und bringt das Getränk dort unter. Übernimmt er dann die "Betreuung", ist er mit vier Cent an jeder über ihn verkauften Flasche beteiligt.

Nun ist Premium-Cola sicher nicht das Getränk für eine gesündere Welt. Es ist eine Zuckerdröhnung und enthält 25 Milligramm Trimethylxanthin, also Koffein, pro 0,1 Liter - etwa sechsmal soviel wie Coke. Klar, bei Biostreuobstwiesen-Rhabarbersaft wäre das "Gute" einfacher zu identifizieren, sagt Lübbermann. Aber dann würde man anderen Guten was wegnehmen. "Hier nehmen wir anderen Colas was weg."

Um das neue System voranzubringen, bietet Lübbermann jetzt das Betriebssystem mit seinen unternehmerischen und moralischen Modulen auf der Website an. Kostenlos. Nicht nur Premium soll wachsen, sondern das Premium-Prinzip.

Der Marktanteil der Premium-Produkte liegt derzeit unterhalb des Promillebereichs. 2007 hat man 200.000 Flaschen Cola abgesetzt, 2008 schon 300.000 Flaschen, 2009 wurde diese Zahl bereits im Juli erreicht. Grund: Ein neuer Sprecher, der von Basel aus den Schweizer Markt erschließt. Markus Omlin heißt er und sagt, er sei "der Beweis, wie man einen großen Teil des Einkommens über Premium bestreiten kann". Durch "harte und fleißige Arbeit".

In Deutschland aber ist der Verkauf rückläufig. "Weil Leute sich nicht kümmern", sagt Lübbermann. Damit sind wir beim Problem des partizipativen Unternehmertums: Um im Wettbewerb zu bestehen, braucht es das Engagement der Stakeholder.

Die Labertaschen-Falle

Nun aber stellt Lübbermann fest, dass Premium auch ein "Auffangbecken für Labertaschen" sei. Das "Sprecher"-Modell führt dazu, dass in einigen Städten das Potenzial nicht vollständig ausgereizt wird oder der Verkauf rückläufig ist. Weil das schon länger so geht, wurde Lübbermann bei der letzten Jahreskonferenz aufgefordert, "mehr Führung" zu zeigen, mit Sanktionen zu drohen. Das will er nicht. Aber seine "bisher endlose Geduld" ist erschöpft. Schließlich lebten inzwischen ein paar Menschen teils von ihrer Arbeit bei Premium. Die Fragen lauten also: Wie viele Profis braucht man? Wo sind neue, professionelle Stakeholder?

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.