Fake-SPD-Mann über seine Drohanrufe: „Nur konsequent weitergedacht“

Er soll SPD-Mitglieder angerufen und im Namen der Partei gedroht haben. Jetzt spricht der Mann, der sich Michael Wiegand nannte. Kein Scherz.

Hallo, hallo ...? Hier spricht die SPD! Bild: imago / Steinach

taz: Herr Wiegand, es heißt, Sie hätten in den vergangenen Tagen im Namen von Andrea Nahles bei widerspenstigen SPD-Mitgliedern angerufen und ihnen mit empfindlichen Konsequenzen für ihre Karriere gedroht - falls diese beim Mitgliedervotum gegen eine Große Koalition stimmen. Ist das korrekt?

Michael Wiegand: Von Drohungen kann keine Rede sein. Natürlich wurden die Gesprächspartner darauf hingewiesen, dass sie sich mit dem angekündigten „Nein“ ins innerparteiliche Abseits befördern. Aber vor allem wurde Überzeugungsarbeit geleistet. Dabei wurden ausschließlich Argumente und Zitate verwendet, mit denen der SPD-Vorstand in den letzten Wochen in den Medien zitiert wurde. Dass diese teilweise als Drohungen ausgelegt werden können, ist ja nicht unsere Schuld.

Sie nennen sich „Kommando Gerhard Schröder“. Wen genau haben Sie denn so angerufen?

Es wurden mehr als 100 Mitglieder und Funktionäre angerufen, die sich öffentlich gegen die Große Koalition positioniert haben. Darunter zahlreiche Jusos, die im Vorfeld des Bundeskongresses auf Linie gebracht werden mussten. Der bekannt gewordene Anruf bei Fabian Verch ist nur die Spitze des Eisbergs.

Woher hatten Sie die Nummern?

Die Nummern wurden uns von einer ranghohen Kontaktperson aus dem Willy-Brandt-Haus zugespielt.

ist ein Pseudonym, mit dem Mitglieder des „Kommandos Gerhard Schröder“ nach eigenen Angaben in den vergangenen Tagen über 100 SPD-Mitglieder angerufen haben, um diese von einem „Ja“ beim Mitgliederentscheid über eine Große Koalition zu überzeugen. Das sogenannte „Kommando Gerhard Schröder“ hat sich hierzu auf der Homepage der Hedonistischen Internationalen (HI) am Donnerstag bekannt. Bei der HI handelt es sich um eine linke Spaßguerilla, die für ihre satirischen Polit-Aktionen bekannt ist. In der Vergangenheit war die HI in die Schlagzeilen geraten als ihre Mitglieder den damaligen Minister Karl-Theodor zu Guttenberg unterstützten – mit dem Slogan „Raubkopierer sind keine Verbrecher!“

Was haben Sie den Leuten erzählt?

Wir haben nur die Positionen des SPD-Vorstands wiedergegeben. Diese haben wir aus Statements in der Presse entnommen und aus der Musterrede, die die Partei zuletzt an SPD-Funktionäre verschickt hatte. Und wir haben verdeutlicht, dass ein „Nein“ undemokratisch sei, die 150-jährige Geschichte der SPD bedrohe und dass sich Nein-Sager ins innerparteiliche Abseits bewegen könnten. Das alles haben wir mit Zitaten von Willy Brandt angereichert. Das kommt bei uns Sozialdemokraten immer gut an.

Sagen Sie mal was Ihr schönster Satz war.

Denke an Willy Brandt. Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört. Das kannst du durch dein „Ja“ möglich machen. Komm, lass uns möglichst viele Genossen für dieses große Projekt mitnehmen.

Das hört sich ja alles ganz lustig an. Andrea Nahles findet das aber gar nicht lustig. Sie hat Strafanzeige gestellt, inzwischen ermittelt das Bundeskriminalamt. Die Generalstaatsanwaltschaft führt das Verfahren.

Wir bedauern sehr, dass Andrea Nahles unseren Akt der Solidarität, zumindest öffentlich, nicht als solchen schätzt. Wir haben uns ja angeschaut wie der Parteivorstand aktuell die Mitglieder sogar in den Wahlunterlagen beeinflusst und haben nur diese Strategie konsequent weitergedacht. Wir hätten uns für diese Vorgehensweise mehr Rückendeckung aus dem Parteivorstand gewünscht. Aber das ändert nichts an unserer Einstellung: „Mehr Telefonie wagen“ darf nicht bloß ein Lippenbekenntnis sein.

Was genau kritisieren sie denn an der Haltung der SPD-Parteispitze? Ist es nicht legitim, dass die Führung der SPD bei einer Mitgliederbefragung auch ihre eigene Position darstellt?

Wir kritisieren die Parteispitze nicht. Sie macht alles richtig. Man muss die Genossen an die Hand nehmen und ihnen den Weg in eine sozialdemokratische Zukunft weisen. Das Sperrfeuer, dass da von einigen ewig gestrigen Genossen kommt, kann die Basis verunsichern. Deshalb ist es gut, dass auf der Webseite zum Mitgliederentscheid keine Gegner des Vertrages zu Wort kommen und dem Wahlzettel Werbung für die Linie des Parteivorstands beiliegt. Denn nur so kann innerparteiliche Demokratie in der SPD funktionieren.

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