Faktencheck zur Silvesternacht: Die Phantom-Banden der Rechten

Die AfD spricht von „nordafrikanischen Flashmobs“ in Dortmund, Hagen und Frankfurt. Andere Rechte steigen mit ein, aber die Polizei widerspricht.

Räumpanzer der Polizei

Die Frankfurter Polizei fuhr schweres Gerät auf, dementiert aber Berichte über nordafrikanische Banden Foto: dpa

BERLIN taz | Nicht nur in Köln hätten sich zu Silvester Gruppen von Hunderten Nordafrikanern getroffen – das behauptet die AfD im Internet. „Köln, Dortmund, Hagen, Frankfurt u.v.m: Tausende Nordafrikaner versammelten sich in der Silvesternacht in Flashmobs. Nur der Polizei ist es zu verdanken, dass es nicht zu übergriffen kam“, behauptete die Partei an Neujahr in einem Facebook-Eintrag, der innerhalb von 24 Stunden knapp 10.000 Likes sammelte. Auch etliche andere Rechtsextreme und Rechtspopulisten schrieben von „Zusammenrottungen“ und „Nafri-Banden“ in den drei weiteren Städten. Allerdings: Was an den Behauptungen dran ist, ist offen.

Grundlage für den AfD-Post könnte ein Artikel der Welt vom Neujahrsmorgen sein. Darin heißt es, dass nicht nur in Köln „große Gruppen mit nordafrikanischem Hintergrund geschlossen in Knotenpunkten der Stadt auftauchten“. Als Beleg dient ein Zitat eines Polizeisprechers, mit dem der Reporter nach eigenen Angaben in der Nacht in Köln gesprochen hatte: „So erreichten uns aus Frankfurt erste Berichte über 1.200 entsprechende Personen, auch aus Hagen gab es Meldungen. Der Dialog mit diesen Gruppen zeigt sich jedoch oft als sehr schwierig.“

Die Polizei in Hagen dementiert allerdings. „Keiner hier weiß von marodierenden nordafrikanischen Banden“, sagte ein Sprecher am Montag der taz. Als er den Welt-Artikel am Neujahrsmorgen las, habe er sofort die örtliche Leitstelle angerufen. Die Beamten dort hätten ihm versichert: „Wir hatte in Hagen ein stinknormales Silvester.“

Auch in Frankfurt beobachtete die Polizei keine großen Gruppen von Nordafrikanern. Einem Sprecher der Bundespolizei zufolge zählten die Beamten am Hauptbahnhof lediglich alle Passagiere mit „augenscheinlichem Migrationshintergrund“ – eine interne Erhebung für den Lageüberblick als Reaktion auf die Kölner Silvesternacht 2015/2016.

Auf insgesamt 1.900 Personen seien die Polizisten dabei im Laufe des Abends gekommen. Die Zahl beziehe sich aber nicht spezifisch auf Nordafrikaner und die 1.900 seien auch keine geschlossene Gruppe gewesen. Sondern: Passagiere, die nicht urdeutsch aussehen und einzeln oder in Kleingruppen in die Stadt kamen. Silvester eben.

Stille Post?

Wie kam nun aber die Zahl von 1.200 Nordafrikanern in Frankfurt zu einem Polizeisprecher in Köln? Gegen 22 Uhr tauschten sich am Silvesterabend die Lagezentren der Bundespolizei in einer Telefonkonferenz aus, auch Beamte in Nordrhein-Westfalen waren zugeschaltet. Möglicherweise wurde dabei ein Zwischenstand der Frankfurter Migrantenzählung durchgegeben und am anderen Ende der Leitung falsch interpretiert.

Allerdings: Sowohl Bundes- als auch Landespolizei in Köln schließen aus, diese Zahl oder andere Angaben zu Nordafrikanern in Frankfurt und Hagen an die Presse gegeben zu haben. Ob das wahr ist, lässt sich im Nachhinein nicht mehr nachvollziehen. Klar ist aber: Für die Behauptung der AfD, Nordafrikaner hätten sich in beiden Städten zu Flashmobs versammelt, liegen keine Belege vor.

Bleibt nur noch Dortmund. Dort verstärkte die Polizei im Laufe des Silvesterabends die Zahl der Einsatzkräfte, Grund war eine Menschenmenge am Platz von Leeds in der Innenstadt. Zunächst sprach die Polizei von mehreren Hundert Männern in Klein- und Großgruppen, später von rund Tausend Menschen, darunter auch Familien. Laut einem Polizeisprecher hatten augenscheinlich viele von ihnen einen Migrationshintergrund. Vereinzelt wurden Straftaten begangen. Zahlen zu den Nationalitäten von Verdächtigen konnte die Polizei am Montag nicht nennen.

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