Familientrennungen in den USA: Null Toleranz, auch nicht für Kinder

Immer mehr Kinder von Migranten werden an der US-Grenze von ihren Eltern getrennt und interniert. Langsam formiert sich Widerstand.

Ein Mädchen steht neben ihrer Mutter, die ein Schild mit der Aufschrift „Families belong together“ – „Familien gehören zusammen“

Familien gehören zusammen – das finden zumindest viele US-Amerikaner*innen Foto: ap

NEW YORK taz | Sonntag war Vatertag in den USA. Und quer durch das Land riefen Leute danach, der systematischen Trennung von einwandernden Eltern und Kindern längs der Südgrenze ein Ende zu setzen. „Befreit die Kinder-Geiseln“, skandierten DemonstrantInnen und OppositionspolitikerInnen bei Demonstrationen vor Abschiebegefängnissen. „Familien gehören zusammen“, hallte es von Kanzeln und aus Talkshows. Und selbst republikanische PolitikerInnen sowie die Gattin des Mannes, bei dem alle Fäden für die Brutalität längs der Grenze zusammenlaufen, zeigten moralische Entrüstung. „Ich hasse es, wenn Kinder von ihren Eltern getrennt werden“, ließ Melania Trump ihre Sprecherin am Sonntag erklären.

Unterdessen ging die „Null-Toleranz“-Politik längs der Grenze, die das Ziel verfolgt, „illegale Einwanderer“ abzuschrecken, ungehindert weiter. Seit Justizminister Jeff Sessions Mitte April ankündigte, dass EinwandererInnen ohne Dokumente fortan wie Kriminelle behandelt werden und ins Gefängnis kommen, trennen die GrenzerInnen systematisch Kinder von ihren Eltern und bringen sie an in der Regel weit voneinander entfernten Orten hinter Gitter.

Nach Angaben der Regierung in Washington betraf das allein bis Ende Mai 1.995 Kinder von 1.940 Eltern. Auch Babys, die noch gestillt werden, und Kleinkinder werden von ihren Müttern getrennt.

Die Kinder werden in Anlagen untergebracht, zu denen Fotografen keinen Zugang haben. Von der US-Regierung veröffentlichte Fotos zeigen Kinder, die in großen käfigähnlichen Strukturen auf dünnen Matratzen die auf dem Betonboden liegen, schlafen. Als „Bettdecken“ haben die Kinder Alufolie. MedizinerInnen und KinderpsychologInnen warnen vor lebenslänglichen Traumata durch die Zwangstrennungen. Bürgerrechtsorganisationen wie die Aclu berichten von massiven Menschenrechtsverletzungen in diesen Einrichtungen.

„Wir empfangen sie mit Terror“

Auch die Erwachsenen sind traumatisiert. Vergangene Woche beging ein mittelamerikanischer Vater Sui­zid, nachdem er an der Grenze von seinen Kindern getrennt worden war. In den vergangenen Tagen ist es ebenfalls bereits vorgekommen, dass Eltern in Schnellverfahren abgeschoben wurden, während ihre Kinder weiterhin in den USA hinter Gittern bleiben. Die „Zero Tolerance“ trifft nach zahlreichen Berichten auch Menschen, die bei Grenzstellen vorstellig werden, um Asyl in den USA zu beantragen.

„Diese Leute suchen Schutz bei uns und wir empfangen sie mit Terror“, sagte der demokratische Kongressabgeordnete Jerrold Nadler am Sonntag am Eingang zu dem privaten Abschiebezentrum Elizabeth im Bundesstaat New Jersey. Zusammen mit sechs anderen demokratischen Abgeordneten hatte er eine Stunde gewartet, bis die Ausländerpolizei ICE ihnen die Erlaubnis erteilte, mit inhaftierten Männern zu sprechen. Ein Vater berichtete ihnen, dass ihm seine 5-jährige Tochter im Schlaf weggenommen worden sei. Ein anderer Mann berichtete, dass er von seinem 7-jährigen Bruder getrennt wurde.

Eine weitere Protestdemonstration fand am Sonntag vor einer Gefängnis-Zeltstadt für Kinder, die in McAllen in Texas in aller Eile errichtet worden ist, statt.

Justizminister Sessions berief sich auf die Bibel, um Familientrennungen zu rechtfertigen. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Sanders, begründete ebenfalls mit der Bibel, dass Gesetzesbrecher bestraft gehören. Donald Trump selbst erklärte bereits am Freitag mit denselben Worten wie seine Gattin, er hasse es, Kinder von Eltern zu trennen. Aber er macht „die Demokraten“ verantwortlich. Sobald sie für eine „umfassende Einwanderungsreform“ – inklusive des Geldes für einen Mauerbau – stimmten, wäre die Familientrennung zu Ende, sagt er.

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