Fanzine-Treffen in Berlin: Ein Blog Papier

Es gibt sie noch: die selbst gemachten Subkultur-Magazine. Am Wochenende treffen sich die MacherInnen in Berlin. Wir haben mit einer gesprochen.

Auf WG-Klos und auf dem Nachttisch standen sie schon immer hoch im Kurs: Fanzines. Bild: Flügelwesen / photocase.com

Auf WG-Klos und auf dem Nachttisch standen sie schon immer hoch im Kurs. Meist kleine, handliche Hefte in der Größe eines A5-Schreibblocks, gestaltet wie eine bessere Schülerzeitung. Fanzines kursieren auch heute im Zeitalter der Blogs in den verschiedensten Szenen.

Es kommen sogar neue heraus, das queerfeministische Brav_a- Zines aus Berlin zum Beispiel. „Es ist ein Heft von Dilettantinnen für Dilettantinnen“, sagt Mitherausgeberin Isabelle über die aktuelle erste Ausgabe, „es hat gar nicht den Anspruch, perfekt oder professionell zu sein.“

Brav_a liest sich auf 40 Seiten wie eine satirische Queer-Bravo. Das kleinformatige Heft ist eines von knapp 50 Fanzines, die am kommenden Wochenende beim Zinefest in Berlin vertreten sind. Wie die Hefte haben auch die Treffen in Szenekreisen Tradition, um sich zu vernetzen. In Berlin findet das Fest nach 2011 zum zweiten Mal statt. Musik-Fanzines, Artzines und Polithefte sind gleichermaßen vertreten.

Fanzines entstehen in Heimarbeit, werden zum Teil eigens collagiert, in der Regel soll ihr Preis nur die Produktionskosten decken. Sie sind als Rundbriefe unter Freunden und Gleichgesinnten zu verstehen. Die Subkulturhefte blicken dabei auf eine lange Tradition zurück. Erstmals wurden Fanzines in US-amerikanischen Science-Fiction-Kreisen in den 1930er Jahren publiziert. In den 60er Jahren spielten sie dann auch in Europa eine größere Rolle, für die Punk-/Hardcore-Szene waren sie später wichtige Organe, um Gegenöffentlichkeit zu schaffen.

Der Do-it-yourself-Gedanke, also der Wunsch, Dinge selbst zu produzieren, wurde mit den frühen 80ern immer populärer. Mit dem Durchbruch des Internet nahm die Masse an Zines zwar ab – sie verschwanden jedoch nie ganz von der Bildfläche. Heute haben sie vor allem in der feministischen Riot-Grrrl-Szene sowie in Fußballfankreisen noch in größerer Anzahl überlebt.

Das Brav_a-Cover ziert eine junge Frau in pinken Boxhandschuhen. Kurze, blondierte Haare, Piercing in der Lippe, zorniger Blick. Im Juli erschien das „queer-feminist teenmag“ erstmals in 300er-Auflage, derzeit arbeitet man an Ausgabe zwei. Im Eigenvertrieb wird das Heft verteilt, bei der Releaseparty im Juli wurde man 100 Hefte auf einen Schlag los. „Es ging uns darum, für die queerfeministische Szene eine Alternative zu den Jugendzeitschriften zu veröffentlichen und deren Inhalte zu parodieren“, sagt Isabelle. Die 29-Jährige gibt das Heft gemeinsam mit Maja, 25, heraus. Die Freiheit des Zinemachens bestehe auch darin, auch „albern zu sein und sich nach Herzenslust austoben“ zu dürfen, sagt Isabelle.

Papier zum Anfassen

Einen Blog hat das Brav_a zwar auch, aber eher, um über das Heft zu informieren. Isabelle schätzt das Papiermedium, weil man es anfassen kann. „Ich finde es selbst anstrengend, nur online zu lesen, außerdem glaube ich, dass viele Inhalte im Netz untergehen würden oder sie die Leute gar nicht erreichen“, sagt sie. Und weiter: „Wenn man ein Heft in der Hand hat, liest man anders.“

Man schreibt und gestaltet auch anders: Im Brav_a hat man die altbekannten Formate für Pubertierende (Psycho-Test, das erste Mal, Foto-Love-Story) humoristisch transformiert. In der Foto-Love-Story etwa wird sich über Gender-Studies-Langweilerinnen lustig gemacht und man sucht den örtlichen veganen, ökologischen, politisch superkorrekten Sexshop auf. Lesenswert auch, wie Befragte versuchen, Sex zu definieren. Weitere Themen: Selbstverteidigung durch Kickboxen, das „Geblute untenrum“, Schönheitsideale. Nur bei letzterem Thema langweilt man sich ein bisschen, weil man das schon tausendmal gelesen hat. Ansonsten macht der einfache, direkte Zugang Spaß beim Lesen.

Für Isabelle und Maja war der Selbermach-Gedanke wichtig bei der Gründung des Heftes. „Ich wollte überhaupt mal wieder selbst ein Projekt starten, in dem sich unsere Szene wiederfindet“, sagt Isabelle. Was ihre Szene ausmache? „In jedem Fall ein Bewusstsein für Gender-Fragen und Geschlechterkonstruktionen.“ Isabell hat bis 2010 das „Ladyfest“ Berlin mitorganisiert, eine Party von Jungfeministinnen für Jungfeministinnen.

Sind ihre Hefte also auch nur innerhalb der Szene relevant? „Eigentlich schon, vieles versteht man auch nur innerhalb dieser Kreise – aber man will schon, dass das auch andere Leute in die Hände kriegen. Ich hab’s mal zur Arbeit mitgenommen, da betrachtete man das Blättchen aber eher skeptisch.“ Isabelle ist Biologin und promoviert gerade. Sie arbeitet im Labor einer Berliner Klinik.

Auch das Zinefest am kommenden Wochenende ist ein Versuchslabor. In Workshops will man sich gegenseitig Input geben. In einem geht es zum Beispiel darum, wie man Netz- und Zinekultur am besten zusammenbringt. Auch Isabelle gibt einen Workshop. Sie erklärt die Arbeit mit Layout-Programmen. Das Brav_a gehört nämlich nicht zu den Schnipselheften, sie selbst hat es am Computer designt und layoutet. Aber auch collagierte und handschriftlich kopierte Hefte werden beim Zinefest am Start sein. Solche, die sich hervorragend neben dem Klopapierhalter machen.

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