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Fast Food im AnmarschWas heißt hier kinderfreundlich?

Nadine Conti

Kommentar von

Nadine Conti

Im Landkreis Cuxhaven gibt es Streit um die Ansiedlung eines zentral gelegenen McDonald’s. Die Kinder sind womöglich dafür.

Finden nicht alle gut: Reste einer Mahlzeit bei McDonald's Foto: Christoph Schmidt/dpa

I n der Gemeinde Hemmoor im Landkreis Cuxhaven, von der man sonst nur liest, wenn im Kreidesee mal wieder ein Taucher verunglückt ist, wird seit zwei Jahren um den Standort einer McDonald's-Filiale gestritten. Die sollte erst in der Nähe einer Grundschule gebaut werden – geht gar nicht, fanden Eltern wie Anwohner.

Jetzt soll sie auf einem idyllischen Seegrundstück entstehen, ziemlich dicht am Skatepark und am Jugendzentrum und in unmittelbarer Nähe von Schulwegen. Das, sagen die Gegner von der Bürgerinitiative „McDonald’s am Heidestrandbadsee – Nein Danke!“, ist erstens verkehrsmäßig fatal, zweitens eine Umweltsauerei und drittens ernährungspädagogisch unklug.

Doch die Gemeinde treibt die entsprechende Änderung des Bebauungs- und Flächennutzungsplanes voran. Sie glaubt wohl, dass sie damit die schweigende Mehrheit im Rücken hat, die sich heimlich auf den Burgerbrater freut, das aber nie so laut sagen würden – wer outet sich schon gern als Fast-Food-Fan, wenn es dabei auch noch um einen US-amerikanischen Igitt-Konzern geht?

Tja, wer? Schüler vielleicht, hat man sich in der Gemeinde wohl gedacht, die sich mit dem Siegel „kinderfreundliche Kommune“ schmückt. Und flugs an den weiterführenden Schulen eine Umfrage gestartet. Das fanden nun wiederum Eltern und Gegner des Projektes empörend. Die können doch nicht einfach die Kinder fragen!

Befragung abgebrochen

Am Gymnasium wurde die Befragung nach Elternprotesten prompt abgebrochen. An den anderen Schulen, heißt es gerüchteweise, wurde sie so ungeschickt als Online-Umfrage durchgeführt, dass die Ergebnisse sowieso unbrauchbar, weil leicht manipulierbar waren.

Nun ist es natürlich so: Wenn man Kinder fragt, ob sie McDonald’s wollen, kann man sich relativ sicher sein, dass sie „Ja“ schreien. Und selbst wenn man die Frage etwas suggestiver formuliert und fragt, ob sie wirklich ihr gesamtes Taschengeld für ungesunden Scheiß ausgeben wollen, würde mit ziemlicher Sicherheit eine Mehrheit immer noch „Ja“ schreien.

Ganze Industriezweige, Werbeagenturen, Youtuber und Influencer leben davon, Kindern und Jugendlichen das Geld aus der Tasche zu ziehen, das bei Erwachsenen schon längst nicht mehr so locker sitzt.

Aber ein bisschen drollig ist doch, dass sich hier nun beide Seiten auf das Siegel „Kinderfreundliche Kommune“ beziehen, mit dem sich mittlerweile so einige Orte schmücken.

Die einen sprechen davon, Kinder und Jugendliche einzubeziehen, weil sie sich davon eine Stärkung ihres Standortplanes erhoffen. Die anderen finden, an dieser Stelle müsste man doch mit der Beteiligung nun wirklich nicht anfangen, schließlich lasse man sie sonst auch allenfalls darüber abstimmen, ob nun dieses oder jenes Spielgerät auf den Spielplatz gestellt werden soll.

Halbwegs gesundes Aufwachsen

Unter einer „kinderfreundlichen Kommune“ verstehen sie vor allem eine, die für sichere Schulwege sorgt, auf denen die Kinder nicht von einem SUV auf dem Weg zum Drive-through über den Haufen gefahren werden. Und eine, die zumindest potenziell für ein halbwegs gesundes Aufwachsen sorgt. Wobei an dieser Stelle offen bleiben kann, ob die Pommes vom Imbiss so viel gesundheitsförderlicher sind.

Außerdem, finden die McDonald’s-Gegner, hätte man die Kinder, wenn man sie denn befragt, ordentlich vorbereiten müssen. Damit dabei am Ende auch eine Entscheidung herauskommt, die Eltern und Lehrer gut finden. Merkt euch, liebe Kinder: Das mit der Demokratie ist kompliziert. Gefragt werdet ihr nur, wenn es in den Kram passt. Und blöde, schlecht informierte Entscheidungen dürfen sowieso nur Erwachsene treffen.

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Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
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4 Kommentare

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  • Auch ich war mal jung und habe Junkfood ohne Ende vertilgt. Gleichzeitig aber auch viel Sport gemacht und nahezu alle Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigt. Ich war gesund und habe mich wohlgefühlt. Problematisch wurde es erst als ich mit Mitte 30 immer noch meinte, mich wie ein 18jähriger ernähren zu können. In unserem gesamten Schuljahrgang gab es zwei "dicke Kinder". Die wurden systematisch gemobbt und ausgegrenzt. Heute sieht es so aus, als wären die normalgewichtigen Kinder die Minderheit. Keine gute Entwicklung...

  • Ich glaube mich an eine Untersuchung zu erinnern mit dem Ergebnis, dass es - zumindest wohl den jüngeren - nicht so sehr um das Essen ging, sondern die Beliebtheit aus dem Plastikmüll stammt, das Kinder dazubekommen (aka Spielzeug, das ohnehin nach zwei Stunden in der Ramschkiste landet).

    • @Ciro:

      Habe ich bei meiner Nichte auch im Jahr 2000 erlebt!

  • Mein Gott, es wird doch von vielen Seiten gefordert, das allgemeine Wahlalter auf 16 oder sogar 14 herabzusetzen. Wenn man Jugendlichen zutraut, den Bundestag zu wählen, dann doch bitte allemal auch, auf Gemeindeebene Entscheidungen zu treffen. Auch wenn da etwas herauskommt, was den "Erwachsenen" übel aufstößt. Entweder man lässt Junges Wählen allgemein zu, oder belässt das Wahlalter zu allen Wahlen bei 18. Was aber gar nicht geht sind Gatekeeper-Vetos einer älteren Fraktion zu ausgewählten Themen.