Fast barrierefreier Bahnhof in Barnten: Zurückbleiben, bitte...

Die Bahn will das einzige barrierefrei zu erreichende Gleis am Bahnhof Barnten nicht für den Personenverkehr nutzen. Das finden die Barntener nicht witzig.

Fast schon barrierefrei: Wer Barntens Bahnhof verlassen will, muss die Treppe nehmen. Bild: Florian Lucks

BARNTEN taz | „Betreten dieses Bereiches erst nach Einfahrt des Zuges“, so steht es im Bahnhof Barnten, einem kleinen beschaulichen Örtchen nahe Hildesheim, an der Bahnsteigkante von Gleis 1. Der Hinweis ist sicher wertvoll, allein: Auf Gleis 1 hält kein Zug. Im Barntener Bahnhof fahren die Züge nur von Gleis 3.

Um zu Gleis 3 zu kommen, müssen die Fahrgäste eine Gleisquerung mit 36 Stufen hinter sich bringen. Diese hat sich die Bahn etwas kosten lassen: Der Bahnhof Barnten wurde vor acht Jahren für rund zwei Millionen Euro grundsaniert.

Die Querung ist eine nette Idee, auch zur Förderung der körperlichen Fitness. Allerdings sehen die Bewohner von Barnten in der Überquerung ein Problem. Mütter haben sich beschwert, sie würden den Kinderwagen dort einfach nicht hoch und runterbekommen. Auch so mancher Rentner mit Rollator kann sich mit der sportlichen Lösung der Bahn nicht anfreunden. „Ich sehe einfach nicht ein, dass hier Personenkreise vom öffentlichen Nahverkehr ausgeschlossen werden“, sagt der Ortsbürgermeister Manfred Hänsch aufgebracht.

Zu wenig Ein- und Aussteigern

“Ein Aufzug würde uns helfen“, meint die langjährige Barntenerin Sibylle Kraschutzki. Im Jargon der Bahn wäre die Installation eines Aufzugs ein „komplett barrierefreier Ausbau“. Die Bahn würde einen solchen auch durchführen, sagt Bahn-Sprecher Egbert Meyer-Lovis, allerdings erst ab 1.000 Ein- und Aussteigern pro Tag. Die schafft das Gleis 3 des Bahnhofs Barnten nicht: Dort steigen täglich 365 Menschen ein und aus.

Aber ist diese Zahl tatsächlich aussagekräftig? „Es müsste für eine ordentliche Zählung doch erst einmal die Möglichkeit bestehen, dass alle Menschen zu Ein und Aussteigern werden können“, sagt Bürgermeister Hänsch. „Mit der Treppe ist das aber nicht möglich.“

Nun gäbe es natürlich die Möglichkeit, dass die S-Bahn einfach in Zukunft auf Gleis 1 halten würde, schließlich ist Gleis 1 barrierefrei zu erreichen. Das aber ist laut Bahn aus „betriebsbedingten Gründen“ nicht möglich: Es würde dadurch ein Güterzug pro Stunde und Richtung weniger fahren können. „Uns würde es ja schon reichen, wenn die S-Bahn nur alle zwei bis drei Stunden dort halten würde“, sagt Bürgermeister Hähnsch. Auch das sei laut der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen nicht möglich. Nähere Angaben zu Mehrkosten oder ähnlichem wollte die Bahn nicht machen.

Wunderbare Kompromisslösungen

Der Bundestagsabgeordnete Bernd Westphal möchte nun in einem direkten Gespräch mit den Verantwortlichen bei der Bahn eine Lösung finden. „In der Zeit zwischen Sommer und Herbst können wir mit einem ersten Ergebnis rechnen“, sagt Westphal.

Bis dahin hat die Bahn wunderbare Kompromisslösungen parat. So wird sie nicht müde, auf den nächsten Bahnhof im 13 Kilometer entfernten Hildesheim hinzuweisen. Ferner könne man ja noch den Mobilitätsservice der Bahn anrufen. Der würde dann dafür sorgen, dass die S-Bahn außerplanmäßig auf Gleis 1 hält.

Für kurzfristige Fahrten in die Stadt empfiehlt sich für manche Barntener also nur die Anschaffung eines Autos. Die Bahn macht eben nicht jeden mobil.

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