„Fear“ an der Schaubühne Berlin: Nazis, Islamisten und Vampire

Falk Richter sampelt in seinem Stück „Fear“ die verbalen Manöver einer Angst-Gesellschaft. Eine schick möblierte Kritik des Unbehagens.

Menschen auf einer Bühne, im Hintergrund eine gruselige grüne Gestalt.

Gruselig.

Eine Alternative für den Titel wäre „Hässliche hassende Frauen“ gewesen, das posaunt Tilman Strauß am Ende seiner unterhaltsam verhobenen Schwabennummer heraus, aber das Stück heißt „Fear“. Nicht etwa „German Angst“. Genau darum geht es jedoch in der jüngsten Stückentwicklung von Falk Richter an der Berliner Schaubühne. Um alles, was irgendwie unheimlich ist oder sein könnte, von Liebesverlust über „Sexualisierung der Gesellschaft“ und „Genderismus“ zu Islamismus und sogar Vampirismus.

Und dann gibt es auch noch die Angst vor denen, die Angst haben, die als eine Art untote Nazis dafür sorgen, dass beunruhigte Schauspieler*innen Gepöbel proben müssen, Leute zitieren, die Dinge sagen wie „Ich möchte gerne, dass die Kirche im Dorf bleibt und dass wir nicht in irgendeine Moschee rennen müssen zu Weihnachten“ oder „Warum werden in unsere Schulklassen Homopaare geschickt, die pubertierende Kinder anturnen […] Warum werden nicht Ehepaare in die Schulen geschickt, die sagen: So geht Familie!!!“.

Diese Dialektik der Gegenüberstellung ist der Trick oder vielmehr Tick aus der Montagekiste von „Fear“: Pegida-Anhänger treffen auf vorwiegend weiblich fundamentalistische Hasspredigerinnen – eine aus Frankreich reimportierten Allianz der Angst vor dem Fremden, vor allem, was abweicht von bürgerlicher Norm.

Diese Allianz trifft auf hilflos ausgelieferte Checker, die ihr ganzes Leben in Konzepte wie Urban Gardening investiert haben, und am Ende, vertreten von drei Tänzer*innen und fünf Schauspieler*innen, zwischen rotbäckigen Tomätlein auf der Bühne von Katrin Hoffmann sitzen und merken, dass es nicht reicht, einfach nur „the others“ zu sein.

Balkonreden und Stunts

Die szenische Ironie davon haben die Schauspieler*innen im Griff. Da wird gesächselt und geschwäbelt, dass das Klischee kracht und das Leben einer AfD-Politikerin als groteskes Schauermärchen erzählt. Alina Stiegler parodiert blondperückig Balkonredenfanatismus – und wenn sie, fast schon in Poledancepose, schreit: „Jetzt macht mal einen Schritt zurück“, wird das mit einem blindlings gehorsamen Rückwärtsstunt über die Rampe gekontert. Gutes Entertainment ist das. Die Schnitte der Nummernrevue werden gekonnt postdramatisch verunschärft, die Lacher gehen an die Bauchmuskeln.

Es reicht nicht, das Leben in Konzepte wie Urban Gardening zu investieren

Auch der Tanz flutscht. Wie herausgeschleuderte Hassparolen werfen sich die Körper durch den mit einem Stegsystem ausgestatteten Raum, winden sich in imaginären Handschellen, versuchen sich wie Mumien aus dem Boden hochzustemmen. Das passiert fließend, fast ebenso einem unterschwelligen Puls folgend wie die Elektrobeats im Hintergrund.

Falk Richter hat in seiner Zusammenarbeit mit Choereograf*innen wie Anouk van Dijk oder Nir de Volff einen Ansatz dafür gefunden, seine Stücke durch Tanz zu dynamisieren und dabei Bewegung und Sprache ohne Brüche ineinander zu überführen. Dieses Mal hat er die an Urban-Moves orientierten choreografischen Elemente in Zusammenarbeit mit den Tänzer*innen selbst übernommen. Eine dramatische Ameublement-Ästhetik, warum nicht.

Die Analyse fehlt

Nur dass der Abend nicht über die Möblierung hinauskommt. Denn der tiefe Griff in die Zitatekiste von Pegida, AfD und Leuten wie Beatrix von Storch, Gabriele Kuby oder Birgit Heike Kelle kommt nicht viel weiter, als die Bühne mit Parolen wie „Heimatliebe statt Marokkanerdiebe“ auszustatten, engagiert dümmliche Positionierungen der Lächerlichkeit zu überführen, fundamentalistische Panikmache zu exzerpieren und mit dramatischen Beats zu unterlegen.

Noch mal überzeichnet wird diese Befindlichkeitskritik mit einem Vampirfilm des Videokünstler Bjørn Melhus, der in galligem Grün die gar nicht so hässlichen, sondern recht medientauglichen Erscheinungen einiger Hassender mit schauerlichem Unbewussten mischt.

Ansätze einer Analyse sind dagegen allerhöchstens im Begleitheft zu finden, in dem ein Auszug aus „Gesellschaft der Angst“ (2014) des Soziologen Heinz Bude gedruckt ist. Der kann jedoch in seinen 9/11-Rückbezügen auch nicht erklären, warum die deutsche Politik aktuell in einer derartigen Schockstarre auf die Ängste vor ihrem eigenen Versagen reagiert. So bleibt diesem Theaterabend nicht viel mehr als unterhaltender Alarmismus.

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