Feierlichkeiten zur Deutschen Einheit: Weniger Elite, mehr gute Mitte

Es ist der 21. Jahrestag der Wiedervereinigung. Der Präsident des Verfassungsgerichts warnte in seiner Festrede davor, die Mitte der Bevölkerung aus dem Blick zu verlieren.

Klein-Berlin in Bonn bei den Feierlichkeiten zur Deutschen Einheit. Bild: dapd

FREIBURG taz | Deutschland muss sich weiter am Wohl der "Mitte" orientieren. Das forderte Andreas Voßkuhle, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, beim Fest der deutschen Einheit am Montag in Bonn. Dies sei eine Grundidee, die Deutschland zusammenhalte.

Es sei relativ leicht, "einige wenige Eliteuniversitäten" zu etablieren, so Voßkuhle, aber ungleich anspruchsvoller, fünfzig sehr gute Universitäten zu unterhalten, wie es in Deutschland der Fall sei. Das Gleiche gelte für Schulen, Kliniken und Kultureinrichtungen. Der Vorwurf, eine Orientierung an der Mitte führe nur zu Mittelmaß und behindere Innovationen, sei falsch. Die Mitte biete vielmehr Raum für Individualisierung, sie sei der Humus dafür, dass sich sehr viele mit ganz unterschiedlichen Begabungen entfalten und eine breite Spitze ausbilden können.

Alle sollten die Chance haben, "am Wohlstand der Gesellschaft teilzuhaben", so Voßkuhle. "Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit" sei ein Versprechen, auf das sich Deutschland gründe. Ein Konzept der Mitte entspreche auch der deutschen Nachkriegskultur des Kompromisses, des vernünftigen Interessenausgleichs. Letztlich meint Voßkuhle eine Kultur der breit angelegten Teilhabe, aber "Mitte" klingt wohl griffiger und weniger sozialdemokratisch.

Wunsch nach Selbstbestimmung

Voßkuhle sprach als Hauptredner des Festakts im Bonner Wasserwerk. Als weitere Grundideen, die Deutschland zusammenhalten, nannte er den Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmung, den Verfassungspatriotismus und das Bekenntnis zu Europa.

Mit der Betonung von Mitte und Ausgleich lieferte Voßkuhle eine Begründung für seine Forderung nach einer Neujustierung des Föderalismus, die er vor einer Woche beim 60. Geburtstag des Bundesverfassungsgerichts erhoben hat. Voßkuhle hatte dort beklagt, dass das Versprechen einheitlicher Lebensverhältnisse in Deutschland kaum noch zu halten sei. Schwächere Länder verlören immer mehr an Attraktivität. Hier will Voßkuhle offensichtlich gegensteuern.

Zwar ist Voßkuhle nur einer von acht Richtern am zuständigen Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts. Seine Rede macht jedoch deutlich, dass eine erneute Klage der reichen Südländer gegen den Länderfinanzausgleich in Karlsruhe kaum Chancen haben dürfte. Bayern und Baden-Württemberg haben deshalb zuletzt auch angekündigt, dass sie zunächst Verhandlungen mit den Nehmerländern führen wollen.

Angesichts der Euro-Schuldenkrise verlangte Voßkuhle eine offene Diskussion. Wer die offizielle, in Brüssel gefundene Linie ablehne, sei deshalb kein Antieuropäer.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.