Feministinnen in Korea: Wenn Frauen für Frieden marschieren

Sie überquerten die Grenze von Nord- nach Südkorea. Kritiker beschimpfen die Feministinnen als Propaganda-Marionetten.

Der Friedensmarsch der Frauen hat die südliche Seite der „demilitarisierten Zone“ erreicht. Foto: dpa

Als die US-Frauenrechtlerin Gloria Steinem ganz in weiß gekleidet vor die innerkoreanische Grenze tritt, hat sie eine so revolutionäre wie kontroverse Botschaft für die wartenden Journalisten: Politiker und Generäle hätten jahrzehntelang mit ihren Aggressionen den Koreakonflikt befeuert. Nun bräuchte es weibliche Führungsqualitäten, um die ostasiatische Halbinsel auf Versöhnungskurs zu bringen. „Frauen haben nun mal eine besondere Gabe, Verbindungen zwischen den Leuten herzustellen“, sagt Steinem.

Der Bürgerrechtlerin Leymah Gbowee ist das bereits in Liberia gelungen, Mairead Corrigan in Nordirland. Beide haben sie den Friedensnobelpreis für ihr Engagement erhalten. Und beide stehen sie nun ebenfalls an der innerkoreanischen Grenze. Ihre regenbogenfarbenen Schärpen werden vom gleißendem Sonnenlicht reflektiert, im Hintergrund singen Nonnen Hymnen und Kinder lassen bunte Drachen steigen.

Nur der doppelte Stacheldrahtzaun und die Schießposten erinnern daran, dass sich all das am „gefährlichsten Ort der Welt“ ereignet. So bezeichnete Bill Clinton einst die militärisch hochgerüstete Demarkationslinie. Seit 1953 stehen sich hier Tausende Soldaten gegenüber, weil ein Friedensabkommen zwischen den verfeindeten Bruderstaaten nie unterzeichnet wurde.

Deshalb lebt auch die Paranoia des Kalten Krieges in Korea noch heute. An diesem Nachmittag zeugen die mehr als hundert Gegendemonstranten davon, unter ihnen Kriegsveteranen und nordkoreanische Flüchtlinge. „Die Aktivistinnen sind doch nur Marionetten des nordkoreanischen Regimes“, sagt etwa der 78-jährige Lee Dong Bok, der als Abgeordneter bereits in den 70er Jahren an innerkoreanischen Gipfeltreffen beteiligt war.

Tatsächlich lieferte die Frauengruppe aus Übersee ausreichend Munition für ihre Kritiker. So besuchten sie vergangene Woche die Geburtsstätte von Kim Il Sung, Nordkoreas Staatsgründer. Die Parteizeitung Rodong Sinmun berichtete ausgiebig, wie „zutiefst bewegt“ sich die Frauenrechtlerinnen zeigten. Später dementierten sie den Zeitungsbericht zwar, doch konnten sie die Zweifel nicht abschütteln: Lässt sich hier eine naive Aktivistengruppe aus dem Ausland von Nordkoreas Propaganda instrumentalisieren?

Die Wurzel alles Bösen

Ganz im Gegenteil, meint Michael Bassett: „Veranstaltungen wie diese sind für das nordkoreanische Regime ein Schlag ins Gesicht“. Der Amerikaner muss es wissen. Denn er hat einst auf beiden Seiten der koreanischen Halbinsel gelebt und kennt Pjöngjangs Propagandamechanismen wie kein zweiter.

Die Bevölkerung bekomme tagtäglich eingetrichtert, dass im Ausland die Wurzel alles Bösen liege und die Außenwelt eine Hölle auf Erden sei. Besonders Amerikaner würden in der Propaganda fast nur als blutrünstig dargestellt. Wenn nun eine Frauengruppe dieses Bild widerlege, sei das für die Bevölkerung wie ein Erweckungserlebnis, dem offiziellen Narrativ zu misstrauen. Deshalb befürwortet Bassett jeden internationalen Austausch – erst recht, wenn er die Frauen stärkt: „Jeder Nordkoreabeobachter weiß, dass es die Frauen sind, die in fast allen Bereichen den Ton angeben.“

Das Gros der Nordkoreaner lebt schon heute in einer Art kapitalistischem System. Denn bei der Hungersnot in den 90er Jahren kollabierte die staatliche Lebensmittelversorgung, die Familien mussten fortan selbst für ihr Auskommen sorgen. Da Männer an ihre Arbeitsplätze gebunden sind, an denen sie ihre Schichten für einen symbolischen Lohn absitzen müssen, obliegt es den Frauen, Geld heranzuschaffen: Sie leiten die Schwarzmärkte, führen die Haushalte und halten die Wirtschaft am Laufen.

Doch Frauen leiden auch besonders unter dem Terror des Regimes. Ein UN-Bericht von 2014 dokumentiert, wie schwangere Nordkoreanerinnen, die nach einer Flucht zurück in ihre Heimat abgeschoben werden, ihre Ungeborenen zwangsabtreiben lassen müssen. Im Ausland geborene Kinder würden gar vor den Augen ihrer Mütter getötet. Die Aktivistinnen haben solche Menschenrechtsverletzungen nicht ins Zentrum ihres Marschs gestellt – und müssen sich nun als Nordkorea-Sympathisanten kritisieren lassen. Trotzdem verkündeten sie, der nächste Friedensmarsch sei bereits in Planung – dann von Süd nach Nord.

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