Fernfahrer in Europa: Mit dem Alex nach Italien

Du Alex, was ist eigentlich so toll an Trucks? Ein Truck, das ist halt ’ne Darstellung, sagt er. Und kann er ein Zuhause sein? Unsere Reporterin ist mitgefahren.

Zwischen mir und meinem Truck herrscht eine Beziehung, sagt Alexander Beisel. Er fährt seit sieben Jahren Lkw. Bild: Annabelle Seubert

Es wird so sein, als fahre er uns durch die Jahreszeiten. Vom Winter in den Herbst und vom Herbst dann in den Winter.

Straubenhardt in Baden-Württemberg, der Alex steigt jetzt die drei Stufen und zwei Meter in den Truck, grün, weiß, rot, Kennzeichen PF-W 1280, King of the road steht außen über der Frontscheibe, Scania darunter, Spedition Wehle an den Seiten, Int. Jumbotransporte, er nimmt seine Nikolausmütze ab. Eine mit rotem Stoff und weißer Bommel, wie sie die Verkäuferinnen bei Kamps und Douglas tragen, wenn sie Brezeln oder Chanel einpacken.

Coole Mütze, sage ich.

Vom Weihnachtsmarkt, sagt der Alex.

Ach?, frage ich.

Schon, sagt er.

Erstes Mal im Lkw?, fragt der Alex und fährt los, 40 Tonnen um sich, 16 Räder unter sich, Zwillingsbereifung, einen Gliederzug hinter sich.

Schon, sage ich.

480 PS kann sein Wagen, im Schnitt verbraucht er 33 Liter auf hundert Kilometern, ist aber lärmarm und schadstoffarm, immerhin, erzählt der Alex. Der Alex heißt eigentlich Alexander Beisel und kommt aus der Nähe, aus Höfen an der Enz, zwei Zimmer, Dachschräge, Laminat, geboren 1979, Familienstand ledig.

Du Alex, was ist eigentlich so toll an Trucks?, frage ich.

Ein Truck, das ist halt ’ne Darstellung, sagt er. Mal sehen, was im Radio läuft.

Er schaltet SWR3 ein, 99,6 UKW, eine Männerstimme kündigt den besten Musikmix an.

Du siehst was Großes und denkst: Boah.

Der Alex denkt wieder über seine Faszination für Lkws nach, als sie auf SWR3 Shakira spielen – gibt es die noch?

Der Papa hat damals gesagt: Mein Junior, der fährt mal Lastwagen. Schon bei der Bundeswehr die zehn Monate, da hieß es immer: Der Alex, der fährt.

Wie fahren wir jetzt nach Italien, sag mal?

Der Alex kneift die Augen zusammen. Über der rechten Braue hat er eine Narbe, länglich, tief, ein Unfall beim Tischtennis. Am Hals trägt er auch eine, breit, tiefer, ein Tumor, fünfzehn Jahre her, gutartig außerdem.

Brühl, Bellinzona

Mannheim, sagt er. Mannheim–Kreuz Hockenheim–Karlsruhe, dann kommt Rastatt, Baden-Baden, Bühl, Freiburg, Basel, Rheinfelden, Luzern, der Gotthardtunnel und dann das Tessin, Bellinzona, Lugano, Chiasso, dann Mailand, und dann Carignano, das ist noch mal zwei Stunden von Mailand.

Und da wollen wir hin?

Da wollen wir hin.

Wir haben drei Traktoren hinten drauf, die sind von Antwerpen nach Mannheim verschifft worden, dort hat sie der Alex eingeladen. Jetzt sollen sie, vier Räder, zwei große, zwei kleinere, das Fahrzeug grün, mit gelbem Streifen, zu John Deere nach Carignano, in die Nähe von Turin.

Wir sind erst in Bühl, der Alex spricht über seinen Führerschein, dass der fast 4.000 Euro gekostet hat und er ihn, gelernter Maurer eigentlich, mit 26 gemacht hat, fünf Monate hat’s gedauert, das reicht, wenn du fleißig bist, aber der B-Führerschein ist ja Voraussetzung, draußen regnet es im Dunkeln, die Landschaft ist unsichtbar, 22 Uhr?, 23 Uhr?, und ich bin zu müde, um ihn zu fragen, was ich ihn eigentlich fragen soll: Ist der Truck dein Zuhause?

Die ersten Fahrstunden allein sind anstrengend, sagt der Alex, weißt, da sind deine Augen überall, weil einfach die Routine fehlt.

Ich denke: Der Sitz ist so bequem.

Er sagt: Ist ein eigenartiges Gefühl, das erste Mal selber zu fahren. Da ist zwar ein Mitarbeiter dabei, aber du kennst ja nix. Du denkst: Wo muss ich morgen hin?

Irgendwie passt sich der Sitz der Körperform an. Wenn du nach links rutschst, rutscht er mit.

Du musst Adressen suchen, aufs Auto gucken. Da wird dir schon viel abverlangt.

Ich rutsche nach links.

Als ich aufwache, sagt der Alex, es ist Zeit zu schlafen. Er parkt in Rheinfelden, am Grenzübergang zur Schweiz. Neun Stunden muss der Wagen stehen, bevor er den Knopf am digitalen Fahrtenschreiber drücken darf und seine Fahrerkarte aufzeichnet, wann es losgeht. Dann können wir weiter, für viereinhalb Stunden. Spätestens nach viereinhalb Stunden muss es eine fünfundvierzigminütige Pause geben. Das heißt: nicht richtig. Die fünfundvierzig Minuten darf man auch splitten, in zuerst fünfzehn und dann dreißig Minuten. Zweimal die Woche darf der Alex auch nicht nur neun, sondern zehn Stunden fahren. Er muss dafür aber nicht neun Stunden, sondern elf Stunden Nachtpause machen, Fahrpersonalgesetz, Bundesamt für Güterverkehr.

Erst mal Zähne putzen

Bring deine Zahnbürste mit, ruft der Alex, er ist aus dem Truck geklettert und dreht einen Wasserhahn auf, der rechts unter der Plane aus dem Lkw ragt. Sein Chef, der Herr Wehle, hat hinter der Plane ein Bierfass befestigt und mit Wasser gefüllt. Wir spucken die Zahnpasta auf die Straße, der Alex in Bikerjacke und ich mit Wollschal, minus zwei Grad. Hat auch was mit Freiheit zu tun, sagt er, weißt. Hier kannst dir die Welt angucken. Im Büro hängt der Chef hinter dir.

Im Wagen klappt er ein Bett aus der Wand und eine Leiter aus dem Bett, siebzig Zentimeter breit, ein Netz davor zum Auffangen. Da, oben ist’s wärmer! Er legt sich auf die Pritsche hinter den Sitzen.

Gut Nacht, sagt er, aus der Koje unten. Ich schnarch übrigens.

Macht nichts, sage ich, von der Koje oben. Ich auch.

Ich wache mit dem Gefühl auf, zu ersticken. Der Mund trocken, die Haut. Der Alex steht im Wagen.

Alex, ich ersticke.

Ich hab die Standheizung an.

Ich merk’s.

Er öffnet eine Tür.

Ist der Alex wach? Vielleicht schlafwandelt er, der Alex schnarcht nämlich nicht, er redet aber im Schlaf. Einmal ruft er: Ha! Einmal: Boah! Einmal: Boah! Miss Sexy!

Geht mal wieder nix

Am Morgen bin ich mir sehr sicher, dass er nicht mich meint. Wir sind über der Grenze, fünfzehn Minuten standen wir im Stau, geht mal wieder nix, hat der Alex gesagt, typisch Schweiz. Ich stehe vorm Spiegel der nächsten Raststättentoilette, finde, dass man mir die Rückenschmerzen ansehen kann, und überlege, wofür ich die Jeans eigentlich anziehen soll. Hat auch was: im Schlafanzug durch die Schweiz.

Guede Morge!, steht drüben auf dem Schild vorm Imbiss, Spiegelei und Speck, 7,90. Drunter steht: Chef. Was heißt das? Wen soll das ansprechen?

Der Alex hat die rechte Hand am Lenkrad und die linke an der Pall Mall.

Das Abenteuer ist schon der Reiz am Ganzen. Er ascht aus dem Fensterspalt.

So vom Fahren her und von der Freiheit her. Zwischen mir und meinem Lkw herrscht eine Beziehung, sagt er, das merkt auch mein Chef, ich will, dass es bei mir immer sauber ist, alles picobello. Wenn die Leute kommen und sagen: Ist aber sauber bei dir, bin ich da stolz drauf.

Ich mach dir ’n Kaffee, der Alex steht auf, greift hoch in die Ablage zur Senseo-Maschine, daneben die Mikrowelle, die Küchenrolle, die Nikolausmütze, der Topfkuchen, in Alufolie gewickelt, das Bauernbrot, geschnitten, für mich die bunte, für ihn die Diddl-Tasse, Bin immer für dich da.

Willst du Milch?

Wir rollen wieder, die Verkehrsschilder sind schon grün, Gotthard 140 km, Luzern 50 km, vor uns Autos aller Farben, so groß wie Käfer im Vergleich, Opel, Audi, Fiat, BMW, Itschitunnel I, Itschitunnel II, die Häuser hier haben Giebel, die Fensterläden sind oft braun.

Das Abenteuer ist schon der Reiz am Ganzen. Bild: Annabelle Seubert

Er öffnet, die Linke jetzt am am Lenkrad, die Tür zwischen Fahrersitz und Beifahrersitz, zieht einen Korb heraus, darin die Alpenmilch, Weihenstephan, 3,5 Prozent, Emmi Griess Töpfli, Milram Frühlingsquark, Hofdammer Schnittkäse.

Nimm dir.

Der Alex klappt ein Brett aus dem Armaturenbrett, Messer und Löffel hat er schon.

Darauf kannst vespern.

Wenn ich Lkw fahr, sagt er, wir fahren durch den Gotthardtunnel – Länge: 16.942 Meter, die Straße: nass, die Leitpfosten: leuchten, die Geschwindigkeitsschilder: leuchten 80, Notrufsäulen, Notausgänge, bis zu 3.500 Lkw pro Tag – fühl ich mich wie ’ne Mutti. Da hab ich alles dabei.

Als Nächstes klappt der Alex den Laptop auf, er steht zwischen Armaturenbrett und Tacho, zwischen dem Teddy links und dem Teddy rechts vor der Scheibe, unter den beiden Flaggen, die an der Scheibe kleben, GERMANY, ITALY, und über den Schaltern, Spiegelheizung, Dieselheizung, Innenbeleuchtung, Liftachse, Antriebsschlupfregelung, Tempomat, Motorwagenniveauregulierung.

Kurz vor Italien – ist Weihnachten wichtig?

Er klickt auf die Wiedergabeliste, Windows Media Player, den gibt es also auch noch.

Used to say: I like Chopin. Love me now and again. Ohohohoh.

Die Achtziger, hey, sagt er. So ein geiles Jahrzehnt für Musik.

Rainy days never say goodbye.

Die Neunziger aber auch, sagt er.

Rainy days growing in your eyes.

Und so Aktuelles mag ich aber schon auch.

Alex, ist dir Weihnachten wichtig?

Vier Spuren, Strommasten im Schnee, Milano, Lugano geradeaus.

Der Alex sagt, dieses Jahr haben sie gesammelt für die Weihnachtsfeier im Betrieb, die Jungs und er. Blumen für die Frau Wehle, eine Filmdose für den Chef, ein Kino- und ein Essensgutschein darin. Dem Herrn Wehle liegt daran, dass der Betrieb klein bleibt, zehn Fahrer, zehn Trucks.

Neue Bettwäsche für den Lkw

Die Frau Wehle macht ja jedem ein Geschenk, also kein Kruscht, weißt. Zeug, das man braucht. Neue Bettwäsche für den Lkw. Oder mal neue Pullis für die Fahrer.

Und zu Hause?

Zu Hause will der Bruder, glaub ich, Schaschlik machen.

Der Steffen ruft an. Lkw-Fahrer, innerdeutsch.

Die fahren einen Scheiß zusammen heute. Was gibt’s, Schnitzel? Spaghetti Bolognese! Jawohl. Bin ich auch immer für zu haben, Bolognese.

Milano 87 km, Chiasso 38 km, sieben Grad, Tunnel, Funkloch.

Der Alex, die Pall Mall im Mundwinkel, steckt das Duftspray in die Steckdose, das macht er so, wenn er raucht.

Meine Kumpel sagen immer: Bei dir riecht’s wie im Puff. Aber ich mag’s.

Wonach riecht das?

Orchidee/Vanille. Ist ’ne Kombination.

Stört es deine Freunde nicht, dass du nie da bist?

Nö, sagt der Alex, meine Kumpel sagen: Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass du mal was anderes schaffst. Du bist so ein geborener Fahrer, in der Industriehalle würdest du eingehen. Da wärst du eingesperrt.

Woher weißt du überhaupt, wohin du musst?

Wenn ich ausgeladen hab, schreib ich dem Chef eine SMS: Auto leer. Dann gibt’s einen neuen Auftrag und der Chef schreibt: Okay, fahr Robbio. Da muss ich auch wahrscheinlich hin.

Komm Alex, wir hören Cyndi Lauper.

Lying in my bed I hear the clock tick and think of you.

Bellinzona, Lugano, Chiasso.

Suitcase of memories, Time after –

Zollpapiere, Frachtpapiere, Fahrzeugschein, ciao, grazie, ciao, Agip, Esso, Autogrill, dreispurig, vierspurig, McDonald’s, Berge, Regen, Italien im Dunst, Sonne, Palmen, Angeberland, die Häuser sind jetzt flach, die Fensterläden oft grün.

Como, zehn Grad. Die Landschaft liegt im Licht.

Guck, sagt der Alex, der Comer See.

Meine Oma sagt immer Cromer See, sage ich. Mit r.

Der Alex raucht.

Wohnt am Cromer See nicht George Clooney?, frage ich. Mit irgendeiner Alibifreundin? Warum gibt der nicht mal zu, dass er schwul ist?

Vielleicht, weil er so lässig ist, sagt der Alex.

Daniel Craig ist lässig.

Wer?

James Bond.

Ach, der.

James Bond ist bestimmt auch schwul.

Beton. Brücken.

Pfeile. Pfeiler.

Stopp, 80, 100, 50, Boney M., Bonnie Tyler, Joe Cocker, DJ Bobo, Rihanna, Lady Gaga, wo sind wir?, wie viel Uhr?, schläfrig, wach, A9, A4, E35, Turate, Saronno, Origgio, da heißt eine Stadt echt Magenta, wie machen die Italiener das?, Varese, can’t read my, no you can’t read my Pokerface, schläfrig, wach, A7 Genova, A1 Bologna, GERMANY, ITALY, who cares, es passiert nichts, passiert mal was?, Po-Po-Po-Pokerface, bitte einhundertachtzig Kilometer der Straße folgen.

Einhundertachtzig? Ich schlafe!

Als ich aufwache, 18 Uhr in Carignano, lädt der Alex die Traktoren aus, er fährt sie über die Rampe zur Lagerhalle, wendig und schnell, vorwärts, rückwärts. Der Sound der Autobahn und des Fahrtwinds kommt mir sanft vor, jetzt, wo die Traktoren heulen.

Der Alex schreibt dem Chef: Auto leer. Der Chef schreibt dem Alex: Okay, fahr Robbio.

Was gibt es in Robbio, Alex?

In Robbio, das sind noch anderthalb Stunden, da gibt es Küchengeräte, sagt der Alex. Kennst die Spülschwämme mit der grünen und rauen Fläche oben und der gelben und weichen unten?

Ja.

Wir holen die gelben und weichen.

Wir rollen wieder durch die Nacht, die Italiener haben ihre Dörfer mit Lichtern geschmückt, der Alex packt den Marmorkuchen aus der Alufolie.

Kuchen vor der Tür

Omis guter Kuchen, sagt er, und dass die Omi gar nicht seine Omi ist, sondern seine Nachbarin, 76 Jahre alt, die hat ’ne Figur! Wie ein junges Weib. 53 Kilo. Isst den ganzen Tag nichts, raucht wie ein Schlot.

Die legt mir den Kuchen immer vor die Tür, sagt der Alex, und schreibt einen Zettel dazu, Hi Baby.

Plusgrade, Lugano, Milano geradeaus: Italien am Nachmittag. Bild: Annabelle Seubert

Wie findet ein Trucker eigentlich sein Baby?, frage ich.

Das ist schon so ’ne Sache, da bleibt einem nicht viel, sagt er. Ich war mal bei der Singlebörse im Internet, aber das ist mir jetzt zu blöd, das Ganze. Ich war jetzt so in zwei, drei Beziehungen, immer so maximal für ein Jahr. Ich bin halt auch so’n, ich sag mal, so’n wilder Typ. Also, ich mach mich nicht abhängig. Am Anfang ist immer alles gut und dann nach ’ner Weile heißt es: Ja, dein Beruf. Ich sag mir: Entweder du kommst damit klar oder du kommst nicht damit klar.

Vom Kuchen kriegt der Alex Hunger, wir laufen durch das leere Robbio und treffen einen Mann mit Hund, der Hund schicker als der Mann, er sagt uns, dass die Restaurants hier um 21 Uhr schließen. Das dolce vita war auch schon mal dolcer.

Wir finden die Trattoria Moderno, die von außen aussieht wie ein türkischer Kulturverein in Berlin und innen sehr hell ist, keine Gäste, und eine Bar, die vom Ristorante mit einem Paravent abgetrennt werden soll, der nichts abtrennt. Die Mamma bringt Weißwein, Rotwein, Blutwurst, Thunfisch, Salami, dann Pasta und Bistecca, dann Ananas und, bitte, zwei Grappa an der Theke wenigstens noch, draußen ist es kalt.

Der Alex und ich putzen uns wie gestern auf der Straße die Zähne und schauen dann Tatort auf seinem Laptop, eine Folge aus Münster, Jan Josef Liefers ist gerade in ein offenes Grab gefallen.

In der Nacht redet der Alex nicht im Schlaf und ich erlebe keine Erstickungsanfälle, muss wohl am Grappa liegen.

Am Morgen sind der Alex und ich etwas stiller als bisher, muss wohl am Grappa liegen. Wir schauen den Tatort zu Ende, während ein Mann mit einem Gabelstapler gelbe und weiche Rollen in die Anhänger stellt, 17.665 Euro Schwammkosten.

Nichts zu verzollen

Der Steffen ruft an, wir sind auf der Landstraße, Kühe, Bäche, Kirchturmspitzen, unterwegs zur Autostrada und zum Grau. Na du, hast schon was zwischen die Kiefer gebracht?

Wir singen Wir sind Helden, die Piaf und die Beatles. Der Alex singt auch Bocelli und Romina Power.

Como, neun Grad.

Zollpapiere, Frachtpapiere, Fahrzeugschein.

Ciao, Mario.

Mario vom Zollbüro sitzt an der Schreibmaschine und füllt die Papiere der Trucker aus, auf der Toilette hängt ein Schild, vietato fumare, und es riecht nach Rauch. Zufällig trifft der Alex hier auch den Heinz, ewig schon Fahrer bei der Spedition Wehle, er fährt heute Puffreis, und den Fabian, den Sohn vom Chef.

Der Heinz, Ende fünfzig vielleicht, sagt, was dir so passiert in Italien, ist echt unmöglich.

Um 4 Uhr ist der Heinz aufgewacht, weil er pinkeln musste. Der Heinz sagt dazu seichen. Er ist also raus aus dem Truck, in Unterhemd und Unterhose, und hat durch einen Zaun gepinkelt.

Kommt die Carabinieri ums Eck, sagt der Heinz, mit Blaulicht und allem. Was mir einfallen tut! Dass ich da jetzt hinschiff. Sag ich, Capo, sag ich: Soll ich in den Wagen seichen, oder was? Sagt der andere, der noch im Auto sitzt: So können Sie in Italien nicht rumlaufen. Ziehen Sie sich was an!

Der Junge, der Fabian, lacht. In Italien, ausgerechnet. Die interessiert doch sonst nix.

Einmal stand ich da in Unterhose, sagt der Heinz. Da ist die Tür hinter mir zugefallen und der Schlüssel war drin, hat sich verdreht oder was, dann ging die Tür nicht mehr auf. In Luzern stand ich da, auf der Raststätte, da sind doch hinterm Klo so Mülleimer, weißt, und Bäume.

Der Alex nickt.

Hab ich mich auf den Mülleimer gestellt in Unterhose, sagt der Heinz, und hab was vom Baum abgemacht und mit einem Zweig die Tür aufgemacht.

Der Heinz fragt den Mario, ob er nicht bald mal Mittagspause hat, dann steigen er und der Fabian und der Alex wieder in ihre Trucks.

Der Fabian fährt vor uns, er hat heute die andere Seite von den Spülschwämmen im Hänger, die grünen und rauen. Beide Seiten müssen nach Wald-Michelbach in Hessen, dort werden sie erst erwärmt, sagt der Alex, dann aufeinandergepresst und dann geschnitten.

Es wird so sein, als fahre er uns durch die Jahreszeiten, vom Herbst zurück in den Winter.

Da, guck, sagt der Alex.

Was?, frage ich.

Guck, was da steht, sagt der Alex.

Wo?, frage ich.

Beim Fabian hinten drauf. Überm Kennzeichen, sagt der Alex. La strada mia casa.

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