Festival Club Transmediale in Berlin: Ans Unbewusste rühren

„Wie habt ihr diesen Klang gemacht?“, wird das britische Duo Cyclobe oft gefragt. Am Donnerstag gibt es eines seiner raren Konzerte in Berlin.

Ossian Brown von Cyclobe. Bild: John Kelman

Elektroakustik, die Verbindung von elektronischen Klängen und akustischen Instrumenten, ist eine der andauernden Obsessionen der Neuen Musik. Komponisten versuchen auf unterschiedlichste Weise, diese beiden Welten zu verbinden.

Als elektroakustisch kann man auch die musikalischen Beiträge der britischen Band Cyclobe bezeichnen, die zwar nicht zur Neuen Musik gerechnet werden, in ihren Bemühungen um neue Klangfarben dafür aber spektakulärer als manche ihrer akademischen Kollegen sind.

Cyclobe bestehen aus dem Duo Stephen Thrower und Ossian Brown, und für beide Musiker ist ihre ganz spezielle Form von Elektroakustik beinahe zum Lebensprojekt geworden: „Am Musikmachen hat uns vor allem die Idee gereizt, uns an einer anderen Art von Musik zu versuchen, bei der man schwer einordnen kann, ob man es mit elektronischen oder akustischen Klangquellen zu tun hat“, so Stephen Thrower.

Cyclobe: „Sulphur - Tarot - Garden" (Phantom Code/Cargo), live 30. Januar, HAU 1, Berlin

Mit Drehleier und Dudelsack

„Es erfüllt mich mit großer Befriedigung, wenn Musikerkollegen fragen: ’Wie habt ihr diesen Klang gemacht?‘“ Seit einigen Jahren arbeiten Cyclobe mit traditionellen Musikern wie dem Drehleierspieler Cliff Stapleton oder dem Dudelsackbläser Michael J. York zusammen. Deren Instrumente sind in der Musik von Cyclobe an einigen Stellen klar zu erkennen, an anderen allenfalls zu erahnen. Ihr Perfektionismus hat dazu geführt, dass die Arbeit an einem Album lange Zeit in Anspruch nimmt. Für ihr bisher letztes Werk „Wounded Galaxies Tap at the Window“ (2010) benötigten sie fünf Jahre.

„Wir arbeiten gern mit sehr vielen Klangschichten“, beschreibt Ossian Brown ihren Ansatz. Oft beginnen sie mit einer kurzen Improvisations- und Experimentierphase, speichern die Ergebnisse ab und denken dann über das Vorhandene nach. Wenn neue Ideen auftauchen, wird das Material wieder hervorgeholt. Schwierig sei das Feilen an den Details: „Manchmal dauert es Monate, um die letzten Einzelheiten zu finden, die einem das Gefühl geben, dass ein Stück fertig ist“, sagt Ossian Brown. Mittlerweile seien sie aber in der Lage, die Resultate auch live darzubieten.

Ihre Musik solle wie etwas von selbst Gewachsenes wirken, wie ein Kristall. Ihre eigene Handschrift als Künstler wollen sie so unkenntlich wie möglich machen, die Musik soll ihre „eigene Identität“ haben. Das ist einerseits paradox, denn die Handschrift von Cyclobe besteht gerade darin, ihre Musik so und nicht anders klingen zu lassen. Andererseits haben die Klänge, die am Ende dieses Prozesses stehen, tatsächlich eine sehr eigentümliche Gewalt, die einen in unterschiedlichste Richtungen affizieren kann und die direkt ans Unbewusste rührt. Die mitunter unheimlich-bedrohlichen Aspekte ihrer Musik nehmen Cyclobe bewusst in Kauf.

Und eine Prise Grusel

Das Irrationale sieht Stephen Thrower als Kreativitätsressource, sogar für Horror hat er vieles übrig – unter anderem veröffentlichte er ein Buch über den für seine Zombie-Filme bekannten Regisseur Lucio Fulci: „Seit meinem siebten Lebensjahr fühle ich mich zu allem Gruseligen in der Kunst hingezogen“, bekennt Thrower. Was auch für einen ihrer entscheidenden Einflüsse gilt, die Post-Industrial-Band Coil um John Balance und Peter Christopherson, in der sowohl Thrower als auch Brown zu verschiedenen Zeiten mitgespielt haben. Beide Coil-Gründer sind inzwischen tot.

In Erinnerung an einen weiteren verschiedenen Freund erscheint im März ein Album mit Soundtracks zu Filmen von Derek Jarman: „Sulphur – Tarot – Garden“. Der britische Regisseur starb vor 20 Jahren an Aids.

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