Festliches: Der Anti-Adventsfilm

Die Hauptfiguren in „4 Könige“ verbringen Weihnachten in einer psychiatrischen Klinik - ein Film ohne Klischees.

„4 Könige“ in einem Boot: Jugendliche finden in der Psychiatrie ihren ganz eigenen Umgang mit Weihnachten Foto: Sandra Müller/C-Films Deutschland

HAMBURG taz | Der Film „4 Könige“ spielt zwar in der Weihnachtszeit, aber Weihnachtsstimmung soll hier gar nicht aufkommen. Es ist eher eine Art Anti-Adventsfilm. Die vier Protagonisten sind Jugendliche, die traumatische Erfahrungen machten und in der Psychiatrie sind. Hier verbringen sie gemeinsam die Festtage.

Laura (Jella Haase) testet zwanghaft ihre Grenzen aus. Die verschlossene Alex (Paula Beer) neigt dazu, sich selbst zu verletzen. Timo (Jannis Niewöhner) kann seine Wut nicht beherrschen und der aus Georgien stammende Fedja (Moritz Leu) hat sich völlig in die Opferrolle zurückgezogen.

„4 Könige“ wirkt durch den Gegensatz von Weihnachten und Psychiatrie auf den ersten Blick wie eine Versuchsanordnung. Damit die Figuren trotzdem lebendig werden, haben Regisseurin Theresa von Eltz und Autorin Esther Bernstorff fünf Jahre am Drehbuch gearbeitet und sich für viele Auslassungen entschieden. So gibt es etwa nur am Anfang des Films eine kurze Sequenz außerhalb der Klinik, in der gezeigt wird, wie Alex zwischen ihren geschiedenen Eltern hin- und hergerissen wird und sich nur mit Angriffen auf ihren eigenen Körper wehren kann. Von den Familienverhältnissen und Krankheitsgeschichten der drei anderen Jugendlichen erfährt der Zuschauer zunächst nichts.

Erzählt wird aus der Perspektive der Jugendlichen und daher sind fast alle Erwachsenen negativ gezeichnet. Da sind etwa die kurzen Weihnachtsbesuche der Eltern, die wie kleine Horrordramen inszeniert sind, nach denen die Psychiatrie wie ein idyllischer Rückzugsort wirkt. Oder die Stationsschwester Simone (Anneke Kim Sarnau), die unbedingt die Kontrolle in ihrer Abteilung behalten will und den jungen Patienten kein Verständnis entgegenbringt.

Nach den Besuchen der Eltern wirkt die Klinik wie ein idyllischer Rückzugsort

Der einzige erwachsene Verbündete der vier jungen Helden ist der selbst noch recht junge Psychiater Wolff (Clemens Schick). Er kommt ihnen mit unkonventionellen Therapieansätzen näher und gewährt ihnen Freiheiten, mit denen er und seine Schützlinge aber bald an die Grenzen der Institution geraten.

Die Drehbuchautorin Esther Bernstorff arbeitet als Psychiaterin und Regisseurin Theresa von Eltz hat ehrenamtlich in ähnlichen Institutionen wie der Klinik im Film geholfen. Die beiden Frauen können daher den Ton zwischen Patienten, Pflegern, Ärzten und den vier Protagonisten authentisch inszenieren. Glaubwürdig wird das Drama auch durch die Kamera von Kristian Leschner, der mit langen Einstellungen arbeitet, in denen blasse Farbtöne überwiegen und die Kargheit der klinischen Einrichtung ausgestellt wird.

Als eine zweite Erzählebene werden Aufnahmen in den Film montiert, die die Protagonisten mit einer Handykamera aufgenommen haben und in denen sie sich gegenseitig und das Klinikpersonal befragen. Dieses Stilmittel wird seit einigen Jahren zwar so oft genutzt, dass es schon etwas abgenutzt ist. Doch hier wird es geschickt eingesetzt, wenn etwa Lara Stationsschwester Simone fragt, was ihr an Weihnachten gefalle und diese nach einigen gängigen Floskeln immer mehr in eine verzweifelte Sprachlosigkeit versinkt.

Theresa von Eltz zeigt in „4 Könige“ ein gutes Gespür dafür, was in einem jungen Schauspieler so steckt. Jella Haase etwa wurde durch ihr komödiantisches Talent in „Fack ju Göthe“ bekannt, hier bekommt ihre flippige Frechheit in der Rolle der manischen Laura pathologische Züge. „Kannst du nicht einfach mal das Maul halten?“, wird sie gefragt und ihr „Nein!“ ist nicht komisch, sondern resigniert.

Gedreht wurde in der Freiluftschule Wohldorf in Hamburg, im Wald und an einem See in Appel bei Harburg. Diese Beschränkung auf wenige Drehorte komprimiert die Geschichte, ist aber auch dem geringen Budget geschuldet. Der Debütfilm von Theresa von Eltz ist eine Co-Produktion von Arte mit dem Kleinen Fernsehspiel des ZDF und wurde sowohl von der niedersächsischen Förderanstalt Nordmedia wie auch von der Filmförderung Hamburg Schleswig Holstein gefördert.

Festival-Premiere feierte der Film im Spätsommer beim Filmfest Hamburg und wurde beim internationalen Filmfest Rom als bester Film in einer Sektion für Jugendfilme ausgezeichnet. In Cottbus bekam er den Preis als bester Jugendfilm und in Braunschweig gewann er vor einigen Wochen den Hauptpreis „Heinrich“, der vom Publikum vergeben wird. Bevor „4 Könige“ wie üblich irgendwann nachts im ZDF versendet wird, kommt er nun als eine Art Anti-Adventsfilm in die Kinos.

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