Festnahme französischer Umweltaktivisten: Nachtragende Staatsmacht

Der französische Staat kriminalisiert friedliche Um­welt­ak­ti­ve als „Ökoterroristen“. Die Frage ist nur: Wer terrorisiert da wen?

Polizei und Demonstranten rangeln.

Proteste in Sainte-Soline gegen ein landwirtschaftliches Wasserreservoir am 29. Okober Foto: Pascal Lachenaud/afp/dpa

Wer sich mit Polizisten prügelt, muss mit einer Strafe rechnen, und dies nicht nur in Frankreich. Doch wie steht es für jene, die nur danebenstanden, allenfalls mit der Faust in der Hosentasche? Mitgegangen – mitgehangen, meint dazu die Staatsanwaltschaft im westfranzösischen Niort, wo fünf Teil­neh­me­r*in­nen aufgrund ihrer bloßen Anwesenheit bei einer Kundgebung gegen ein Megaprojekt landwirtschaftlicher Wasserreservoirs vor Gericht standen.

Der Versuch der Justiz, im direkten Auftrag der Regierung einen zivilgesellschaftlichen Widerstand in pauschaler Weise zu kriminalisieren, war in diesem Fall offensichtlich. Wer die Autorität des französischen Staats herausfordert und dabei Schwächen der Staatsmacht aufdeckt, muss sich über scharfe Reaktionen nicht wundern. Ganz besonders nachtragend ist der französische Innenminister Gérald Darmanin, denn er musste den Verlauf der fraglichen Demonstration als persönliche Niederlage seines gewaltigen Aufgebots an Polizeibeamten hinnehmen.

Darmanin hat sich zudem verbal weit aus dem Fenster gelehnt, indem er die Aktivist*innen, die mit ungewohnten oder manchmal schockierenden Aktionsformen gegen Umweltzerstörungen protestieren, als „Ökoterroristen“ verunglimpft. Die Frage ist nur: Wer terrorisiert da wen? Die Demonstrierenden, die das Interesse der Medien und der Bevölkerung auf sich und ihre Anliegen lenken wollen, sind in der Regel unbewaffnet. Vielleicht verletzten sie bei ihren Aktionen den ein oder anderen Gesetzesartikel, aber der Vergleich mit Terroristen, die Bomben legen oder auf Menschen schießen, ist unerträglich und alles andere als verhältnismäßig.

Prozesse wie in Niort, wie sie der französische Staat mit großem Eifer anstrengt, sind Teil einer Repressionspolitik, die auf Abschreckung setzt. Das hatte allerdings schon bei der beabsichtigten Einschüchterung der „Gelbwesten“-Protestbewegung nicht funktioniert. Nun dürfte auch der Versuch, hartnäckige Klima- und Um­welt­schüt­ze­r*in­nen mittels Strafverfolgung zu diskreditieren, nicht klappen.

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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