Feuer in Spanien: Die wahren Verantwortlichen
Spanien sieht sich mit den größten Katastrophen seit Jahrzehnten konfrontiert: Folgen des Klimawandels, des Kapitalismus. Die spanische Rechte blockt.

D ie Brandkatastrophe in Spanien hat Ursachen weit über den ersten Funken hinaus. Dass in nicht einmal drei Wochen in den Regionen Galicien, Kastilien und León und der Extremadura eine Fläche so groß wie Mallorca den Flammen zum Opfer fiel und vier Tote zu beklagen sind, hat mit dem Klimawandel und fehlender politischer Antwort darauf zu tun.
In allen drei Regionen regiert die konservative Partido Popular (PP), in zweien davon – Kastilien und León und der Extremadura – mit Unterstützung der rechtsextremen Vox; ein Bündnis, das die PP auch auf zentralstaatlicher Ebene anstrebt, sollte eine solche Koalition bei den Wahlen 2027 eine Mehrheit bekommen.
Die Regionalpolitik der PP trägt einen nicht unerheblichen Teil der Verantwortung für die Brandkatastrophe. Katastrophenschutz ist Regionensache. Dort wo sie regieren, privatisieren die Konservativen und streichen öffentliche Stellen und Ausgaben bei den Brandschutzmaßnahmen. Programme – wie etwa die Brandschutzbrigaden im Winter in die Wälder zu schicken, um dort aufzuräumen – gelten der PP „als Geldverschwendung“. Die Feuerwehrleute werden fast alle nach der Sommersaison aufs Arbeitsamt geschickt. Und Vox besteht darauf, Programme zum Klimawandel abzuschaffen. Ihnen gilt alles, was mit Klimapolitik zu tun hat, als „ideologisch“ und „woke“.
Es habe schon immer gebrannt, sind sich beide Parteien einig. Ursache sei nicht der Klimawandel, sondern der Mensch – vom „Feuerterrorismus“ reden sie ständig. Das stimmt und stimmt aber auch nicht. 96 Prozent der Feuer gehen tatsächlich auf menschliches Handeln zurück. Von fahrlässigem Umgang mit offenem Feuer bis hin zu gezielter Brandstiftung ist alles dabei. Doch eine Sache ist, dass es brennt und die andere, wie es brennt. Die Feuer sind immer virulenter und kaum noch zu kontrollieren. Und das liegt sehr wohl am Klimawandel.
Regen
Die Hitzewelle trägt zum Ausmaß bei, die Veränderung der Niederschläge im Jahresablauf auch. Dieses Frühjahr regnete es viel – viel mehr als üblich –, während der Rest des Jahres trockener war als normal. Gestrüpp und Gräser wuchsen schnell und mehr als sonst, trockneten dann aus und bieten jetzt den Feuern reichlich Nährstoff. Die Teile von Kastilien und León sowie Galiciens, die jetzt abbrennen, gehören zu dem, was eigentlich als feuchtes, grünes Spanien gilt. Dort waren Tagestemperaturen bis zu 40 Grad und Nächte mit kaum unter 30 Grad bisher nicht normal. Dieses Jahr gab es sie – parallel zu den Waldbränden.
Dennoch will Spaniens Rechte vom Klimawandel nichts wissen. „Die Wissenschaftler sind sich nicht einmal einig, wie das Wetter morgen in Sevilla wird, wie soll da jemand wissen, was in 300 Jahren geschieht“, erklärte der ehemalige spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy bereits 2015. Und der Bürgermeister von Madrid, José Luis Martínez Almeida, entschied sich bei der Antwort auf die Frage von Schülern, was für ihn wichtiger wäre, den Amazonas zu schützen oder Notre-Dame wieder aufzubauen, für zweites, da die Kathedrale in Paris ein Symbol unserer Kultur sei.
V0x geht noch einen Schritt weiter. Die Rechtsextremen beschuldigen die Umweltschützer, die Verantwortung für die Waldbrände zu tragen. „Da sie die Agenda 2030 verkaufen müssen, läuft es, wie es läuft. Sie lassen uns die Berge nicht säubern, sie lassen uns die Flüsse nicht säubern, sie lassen uns keinen einzigen Ast herausziehen, sie lassen die Tiere die Berge nicht säubern“, verbreitet Vox über ihre Influencer in den sozialen Netzwerken, auch wenn diese Aussagen keinerlei Wahrheitsgehalt haben. Denn in den Naturparks ist traditionelles Wirtschaften nicht verboten.
Landwirte
Doch schuld sind nicht die „Umweltschützer in der Stadt“. Schuld ist unter anderem die Landflucht und die wiederum ist Folge des Kapitalismus, in dem traditionelle Weidewirtschaft nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Übrigens: 88 Prozent der Waldbrände gehen auf das Handeln ebenjener Landbevölkerung zurück, die von der Rechten hochgelobt wird. Bei 42,7 Prozent sind die Verursacher Landwirte, bei 30 Prozent Viehzüchter. Sie gehen sorgenlos mit Feuer um, als gebe es die trockenen Sommer nicht.
Die Brandkatastrophe ist von einem nie da gewesenen Ausmaß. Selbst in Madrid, Hunderte von Kilometern von den großen Brandherden entfernt, trübte der Rauch die Sonne. Die Regierung der Hauptstadtregion – ebenfalls PP – sah vor lauter Ideologie den Rauch nicht. Sie erklärte, es sei Wüstensand aus der Sahara, den der Wind hergetragen habe. Ein seltenes Wetterphänomen, das tatsächlich ab und an vorkommt. Die Madrider Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso machte „eine ideologische Agenda“ aus, die Brandverhütung und -bekämpfung behindern, während ihre Feuerwehrleute gegen befristete Arbeitsverhältnisse und schlechte Entlohnung streiken.
Mit solchen Angriffen auf Zentralregierung und EU versucht die PP, vom eigenen Versagen abzulenken. Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Pedro Sánchez hält dagegen. Er redet vom Klimanotstand und strebt einen nationalen Pakt an, um die Folgen des Klimawandels zu bekämpfen. Eine Kommission unterschiedlicher Ministerien hat die Arbeit bereits aufgenommen.
Die Linkskoalition hat dabei nicht nur die Waldbrände im Blick, sondern auch die Starkregen, die immer häufiger auftreten und immer öfter dort, wo es sie bisher nicht gab. Auch sie führen zu tödlichen Katastrophen, wie im vergangenen Oktober in der Region zwischen Valencia und Utiel, als 228 Menschen in den Fluten ertranken. Auch hier versagte eine von V0x unterstützte PP-Regierung völlig.
Für Spaniens Rechte ist die Idee eines nationalen Paktes gegen den Klimanotstand „Rauch, der von den wahren Verantwortlichen ablenken soll“ – als wäre Katastrophenschutz nicht Sache der Regionen und damit ihrer Regierungen. Zu den wahren Verantwortlichen gehören auch sie.
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