Film „Twentynine Palms“: Romantischer Horror

Irgendwo im Nirgendwo befinden sich David und Katia in „Twentynine Palms“. Im Nirgendwo scheint sich auch der Film von Bruno Dumont zu verfangen.

Schöne Landschaft gepaart mit Augenblicken des zarten Gruselns: Hier spielt „Twentynine Palms“. Bild: dapd

Es gibt keine Erklärung für das, was hier geschieht. Ein Mann, David (David Wissak), eine Frau, Katia (die viel zu früh verstorbene Katia Golubeva), im Auto, einem Hummer, auf dem Highway im amerikanischen Westen, Wüste rundum. Sie spricht französisch mit osteuropäischem Akzent, er radebrecht es, manchmal sprechen sie aber auch englisch, das dann sie radebrecht.

Im Auto läuft ein Band mit der sehr schräg-folkigen Musik von Takashi Hirayasu. Gelegentlich steigen Katia und David aus dem Auto. Dann stehen sie in einem Windradpark in der Wüste, die Windräder singen leise und Katia pinkelt, David schaut weg.

Oder sie haben Sex am Fuße einer Felsformation, die sie danach erklettern. Nackt liegen sie dort oben, lassen ihre Körper von der Sonne verbrennen, David hat seine Schuhe noch an. Die Kamera, die in ihren Ausschnitten und wenigen Fahrten weder zum Einsperren noch zum Befreien der Figuren tendiert, zeigt sie aus der Ferne, aus der Nähe, von oben. Sex haben sie oft, im Pool, im Motel, drinnen und draußen. Einmal heult er beim Sex, drinnen, wie ein abgeschlachtetes Tier.

Sie sprechen, sie gehen essen, einmal chinesisch. Nichts von Bedeutung scheint zu geschehen, Fahren und Vögeln, man weiß und erfährt wenig über den Mann und die Frau. Er hat am Anfang im Telefongespräch mit irgendjemandem etwas von einem Scouting erzählt. Sie scheinen sich noch nicht sehr lange zu kennen, jedenfalls wundert sie sich über ihn und er wundert sich über sie. Und wir wundern uns über die beiden. „Manchmal sagst du etwas, und dann sagst du etwas ganz anderes, das sind dysfunktionale Gespräche“, sagt sie. Da hat sie sehr recht.

Bruno Dumonts „Twentynine Palms“ setzt die Figuren in einen Erzählraum, der dem realen geografischen Raum, durch den er sie bewegt, durchaus ähnelt: Man weiß nicht, wo er beginnt oder endet. Felsen und Windparks und die dürre Flora der Wüste stehen wie Sätze und Satzbrocken und ein hysterisches Lachen herum, viel mehr Struktur als einen Highway und hier und da Sex gibt es nicht. Die Wege und der Sex aber führen nirgendwo hin.

Aus dem Nichts in die Gewalt

Eine Geschichte will sich auch nicht entfalten. Um psychologische Figurenporträts geht es ebenso wenig. Aber auch allegorische Lesarten greifen kaum, dafür ist, was passiert und nicht passiert, zu wenig in einer plausiblen Wirklichkeit verortet – man kann an diese vagen Figuren mit wenig Konturen kaum Bedeutungen hängen. Es liefe auf Dinge wie die tierische Natur des Menschen, vielleicht auch Antiamerikanisches hinaus. Kann man vergessen.

Dann aber greift etwas Unterschwelliges über. Aus dem Nichts blitzten zuvor schon Aggressivität und Gewalt auf. Ein Hund wird angefahren, Autofahrer hupen und drängeln. Es ist, als akkumulierten sich nach und nach diese Aggressionen, und irgendwann bricht etwas aus. Im Niemandsland werden David und Katia von Rednecks überfallen, es ist wie der Angriff des Unbewussten des Films auf seine Figuren.

Dieser Angriff hat es in sich. Keiner wird sich davon erholen. Bluttat folgt nun auf Bluttat, und man bekommt keine Erklärung für das, was geschieht. Am Ende ist man sehr ratlos: Was das wohl war, das da lange latent blieb und am Ende als Hauen und Stechen so überaus manifest wird? Ein Polizist in der Wüste inspiziert einen Tatort. Falls er Spuren, Anhaltspunkte, eine Antwort hat: Es bleibt uns verschlossen, denn mit dem Bild ist dann Schluss.

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