Filmemacher über Kinos in der norddeutschen Provinz: „Danach kommt nur Dänemark“

In einem Alter, in dem andere die Rente vorbereiten, hat Josef Wutz seinen ersten eigenen Film gedreht: Er handelt von der Leinwand-Provinz.

Kinosaal

Hat seinen ersten eignen Film gedreht: Josef Wutz Foto: Aries Images

taz: Herr Wutz, Sie sind als Filmverleiher und Produzent bekannt, haben das Filmfest Hamburg geleitet. Wie kommt es, dass Sie mit 64 Jahren Ihren ersten eigenen Film machen?

Josef Wutz: Das hängt mit der neuen digitalen Technik zusammen. Ich habe zwar in meinen 20ern schon Super-8-Filme gedreht und versucht, künstlerisch wertvolle Sachen zu machen. Als ich dann in die Filmbranche kam und sah, wie viele Scharlatane da rumspringen, wollte ich nicht auch noch etwas Dilettantisches dazu beitragen. Mit den neuen Fotokameras kann man jetzt aber auch sehr hochwertige Filmaufnahmen machen, die sich selbst im Kino sehen lassen können.

Wie kamen Sie zum Thema?

Ursprünglich hat mich fasziniert, dass in St. Peter-Ording das „Nordlicht“-Kino von völlig fachfremden Menschen wieder ins Leben gebracht wurde – und heute erfolgreich läuft. Das ist ein Ehepaar aus Ostberlin, das an die Nordseeküste gezogen ist. Da hat ihnen ein Kino gefehlt, und sie haben selbst eins gemacht. Ich habe mal beim Wein mit denen zusammen gesessen und da hieß es, über euch sollte es einen Film geben. Und dann habe ich gesagt, ich mach das.

64, war Verleihchef von Arsenal Film und ist seit 1994 selbstständiger Filmkaufmann. Von 1995 bis 2002 Geschäftsführer und Programmchef des Filmfests Hamburg

Wie sah das ursprüngliche Konzept aus?

Damit dabei ein Film von mindestens 80 Minuten herauskommen sollte, war klar, dass ich noch mehr von diesen kleinen Kinos vorstellen musste. Da hatte ich die Idee, mir dafür die nördlichsten Kinos vorzunehmen. Die sind deswegen so toll, weil danach nur noch Wasser oder Dänemark kommt. Die Gegend ist dünn besiedelt, der Arbeitstitel war „Last Frontier“. Das Konzept habe ich der Filmwerkstatt Kiel vorgestellt. Von denen haben wir wenige tausend Euro bekommen, um das Projekt zu entwickeln. Wir sind dann nach Pellworm, Niebüll oder Kappeln gefahren und plötzlich in Kalifornien gelandet, das ist ein Ortsteil von Schönberg – und da gibt es kein Kino.

Herausgekommen ist aber dabei ein ganz anderer Film.

Mit der Handvoll tausend Euro bin ich ins Ostseebad Prerow in Mecklenburg-Vorpommern gefahren und habe zu Weihnachten 2013 im „Cinema“ meine ersten Aufnahmen gemacht.

Warum ausgerechnet dort?

Betreiber Frank Schleich ist ein Einzelkämpfer und hat seltsame Probleme: Im Winter ist sein Kino leer, denn das ist eine ganz kleine Gemeinde von 1.400 Leuten. Und im Sommer, wenn alle anderen Kinobetreiber stöhnen, wegen des guten Wetters, gibt es da mit den Badegästen für ihn ein riesiges Zielpublikum.

Warum genau ist aus dem ursprünglichen Ansatz für den Film nichts geworden?

Ich habe aus dem ersten Material einen „Teaser“ gemacht und alle aus der Branche, denen ich ihn gezeigt habe, fanden ihn gut. Aber egal bei welcher Förderanstalt ich das Projekt dann eingereicht habe – ich habe nichts bekommen.

Das ist bei Ihnen auch deshalb außergewöhnlich, weil Sie selbst oft in Fördergremien gesessen haben, also die Mechanismen genau kennen...

Ich weiß, bei solchen Entscheidungen kommt es immer auf die Tagesform an. Wenn sich jemand in der Sitzung findet, der sich mit drei, vier Sätzen für einen Film stark macht, dann ist der durch. Dass es nicht auf große Liebe stößt, wenn der Wutz nun auch noch einen Film machen will, war mir von vornherein klar. Ich weiß, es gibt kein Recht auf Förderung, und deswegen auch kein Gejammer von mir. Ich habe mir dann gesagt: Ich mache alleine weiter.

Am Ende stehen nun 40 Minuten Langzeitbeobachtung.

Mir haben andere Filmemacher gesagt, dass man eigentlich mehr über die Leute als über ihre Kinos erfahren will. Da hab ich gedacht, vielleicht reicht es ja, wenn ich eine Zeitlang den Herrn Schleich, sein Kino und seine Familie mit der Kamera beobachte.

Was ist das Besondere an diesem Frank Schleich?

Er hat sich schon als Lehrling um den Filmclub in Prerow bemüht. Da war er dann auch Angestellter, und als es in die Grütze geritten wurde, hat er Schulden gemacht und dieses Kino gekauft, weil er sich sagte: „Es gibt nichts Besseres in meinem Leben als Kino zu machen.“

Ihr Protagonist hat über das Internet eine Frau aus China kennengelernt und geheiratet.

Das war für mich wie ein Sechser im Lotto. Drei Jahre mit diesen Geschehnissen, das ist ein Geschenk. Beim ersten Besuch war Frau Schleich ja erst einige Monaten zuvor aus China nach Prerow gezogen, beim zweiten Besuch war sie schwanger – und es kamen plötzlich viele Leute ins Kino. Und im dritten Jahr war dann auch noch das Kind da.

Premiere ist am Sonntag – auf dem 1. „Norddeutschen Film-Festival“ in Rendsburg.

In der „Schauburg“ habe ich alle von mir verliehenen Filme gezeigt, und auch bei unseren Kunstfilmen war es immer so gut gemacht, dass wir auch Zuschauer hatten. Ich habe dann über die Jahre mit der Betreiberin auch über meinen Film geredet, und vor etwa einem Vierteljahr kam ihr Anruf, dass sie ihn gerne auf ihrem Festival zeigen wollte. Ich habe ihr dann nicht gesagt, dass es den Film so noch gar nicht gab, sondern mich statt dessen um Postproduktion gekümmert. Und jetzt ist er fertig.

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