Filmfestspiele Venedig: Asia-Kracher am Lido

Takeshi Kitano und Ang Lee machen in ihren neuen Filmen "Glory to the Filmmaker!" und "Se, Jie", was sie am besten können: alberne Späße und Gefühlskino.

Regisseur und Comedian Kitano und sein Stunt-dummy Bild: office kitano

Takeshi Kitano lässt es krachen. Außer Konkurrenz läuft sein jüngster Film "Glory to the Filmmaker!". Ähnlich wie bei seinem vorangegangenen, in Deutschland nicht gezeigten Film "Takeshis" (2005) handelt es sich um eine Nummernrevue - und die ist so hemmungslos selbstreflexiv wie hemmungslos albern. Im Mittelpunkt stehen der Filmemacher selbst und sein Doppelgänger, ein Dummy, der immer dann zum Einsatz kommt, sobald es brenzlig wird.

Kitano, behauptet "Glory to the Filmmaker!", steckt in einer Schaffenskrise. Er beginnt Film um Film und verwirft ihn wieder. Zunächst versucht er sich am Yakuza-Genre, mithin an dem, was er am besten kann. Doch zu oft schon hat er seine Dead-Pan-Gangster antreten lassen. Also wagt er sich an ein Familiendrama im Stile Ozus, später an einen Horrorfilm, der ihm zur Komödie gerät, weil das Monster schlecht geschminkt ist und trottelig gegen geschlossene Türen rennt. Noch später soll es ein Schwertkampffilm werden, dann ein Liebesfilm, doch auch daraus wird nichts: "Warum sollen die Frauen den Männern immer so ergeben sein?", fragt sich Kitano, nachdem er zwei, drei Liebeskonstellationen durchgespielt hat. So entsteht eine muntere Tour de force durch die Filmgeschichte und durch Kitanos eigenes Werk - unschlagbar etwa die Schießerei in einem Parkhaus, bei der die Kugeln, in ihrer Bewegungskurve durch Slow-Motion-Effekte sichtbar gemacht, auf Kitano zufliegen wie in "Matrix", dann hinter ihm abprallen und wieder Kurs nehmen auf Kitano. Als eine seinen Hinterkopf trifft, stolpert er und sagt: "Autsch".

Während Takeshi Kitano sich an derben Späßen und kruder Körperkomik freut, macht Ang Lee, was er am besten kann: Er erzählt mit großem Raffinement eine Geschichte über Gefühle, deren Instrumentalisierung und deren Einhegung durch gesellschaftliche Zwänge und politische Ideale. Sein Wettbewerbsbeitrag "Se, Jie" ("Lust, Caution") geht auf den gleichnamigen Spionagethriller von Eileen Chang zurück; er spielt in den späten 30er- und frühen 40er-Jahren in Hongkong und Schanghai. Die Studentin Wang Chia-Chih (Tang Wei) schließt sich einer Zelle radikaler, gegen die japanische Besatzung kämpfender Kommilitonen an. Der Plan ist, den mächtigen Kollaborateur Yee (Tony Leung) zu töten. Wang Chia-Chih gelingt es, sich mit Yees Ehefrau anzufreunden. Je häufiger sie zum Mahjong-Spiel eingeladen wird, umso deutlicher wird, dass Yee sie zur Geliebten will. Sie lässt sich auf sein Begehren ein, weil es dem Plan nützt, Yee zu töten. Trotz ihrer gefestigten Überzeugungen gerät sie in einen tödlichen Double Bind.

So weit der Plot. Der Reiz des Films liegt freilich in der Ausführung, im Detail, so wie Yee selbst es in einer Szene sagt: "Wenn man aufmerksam ist, ist nichts trivial." Allein die Ambivalenz, die daraus resultiert, dass Wang Chia-Chih und ihre Genossen den bourgeoisen Lebensstil im Hause Yee verachten, ihn aber zugleich skrupulös in Szene setzen, damit ihr Gegner keinen Verdacht schöpft - allein diese Ambivalenz trägt den Film weit. Dazu kommt die Subtilität, mit der Lee Tangomusik, die Abdrücke von Lippenstift an Tassen und Gläsern, das Close-Up eines Wachhunds, ein Gespräch über Diamanten oder ein weißes Bettlaken so arrangiert, dass der Film eine den Plot flankierende, zweite, dichte Ebene erhält. Zugleich scheut "Se, Jie" vor Härte und brutalen Szenen nicht zurück. Ein Mord etwa geschieht nicht schnell, vielmehr zeigt Lee, wie viele Messerstiche es braucht, bis ein Mensch stirbt. Die sexuellen Begegnungen zwischen Yee und Wang lässt er zwischen Gewalttätigkeit und Ekstase schwanken und entzieht sie so jeder Konsumierbarkeit.

Einem ihrer Verbindungsoffiziere gegenüber beschreibt Wang einmal, was ihr mit Yee passiert. "Wie eine Schlange kriecht er zu meinem Herzen empor." Der so mit den konkreten Folgen des glatten Planes Konfrontierte kann nur noch stammeln : "Hören Sie auf, seien Sie still."

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