Filmförderin Eva Hubert über norddeutsche Regisseure und Geld: „Die Kleinen nicht links liegen lassen“

Eva Hubert, Chefin der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, geht in Rente. Die taz sprach mit ihr über Namen, Gremien und ihren Abschied.

Eva Hubert, Philip Seymour Hoffman, Olaf Scholz und Anton Corbijn

Am Filmset: Eva Hubert, Philip Seymour Hoffman, Olaf Scholz und Anton Corbijn Foto: Kerry Brown

taz: Frau Hubert, Sie waren Berufsschullehrerin für Maschinenschlosser und Friseure, Redaktionssekretärin beim NDR und Assistentin bei der damals neu gegründeten alternativen Hamburger Rundschau. Und Sie hatten daneben auch noch eine politische Karriere: ab 1976 im Leitungsgremium des Kommunistischen Bundes, dann Gründungsmitglied der Grün-Alternativen Liste – wie landet man angesichts all dessen bei der Filmförderung?

Eva Hubert: Durch meine Aktivitäten beim Hans-Bredow-Institut seit 19984 hatte ich Dieter Kosslick kennengelernt und der hat mich 1991 gefragt, ob ich nicht Lust hätte, als Leiterin der Produktionsförderung zum „Film Fond Hamburg“ zu kommen. Kosslick ging dann bald nach Nordrhein-Westfalen, wo er besser bezahlt wurde. Und ich kam plötzlich in eine Branche, die neu für mich war. Er hat einfach gesagt: „Mach du das doch!“ – was ich damals etwas vorschnell von ihm fand.

Im Gegensatz zur Förderanstalt von Niedersachsen und Bremen, Nordmedia, die viele Projekte des NDR fördert, ist die Filmförderung in Hamburg und Schleswig-Holstein unabhängiger vom Fernsehen.

Bei Nordmedia gibt der NDR einfach viel mehr Fördermittel und ist auch Gesellschafter. Bei uns ist dagegen der Hauptgeldgeber die Stadt Hamburg. Von der gibt es pro Jahr über acht Millionen Euro, dazu jeweils eine Million vom NDR und ZDF, mit denen aber keine Lizenzrechte verbunden sind. Aus dem Staatsvertrag Hamburgs und Schleswig-Holsteins gibt es zur freien Vergabe dann auch noch rund 1,5 Millionen Euro Fördermittel dazu. Das ist also eine viel offenere Situation und das hat mit der Grundfinanzierung zu tun.

Stehen Sie für eine kulturelle Filmförderung oder eine wirtschaftliche?

Ich würde nie das eine gegen das andere ausspielen! Nehmen Sie etwa „Honig im Kopf“. Bei den Stoffen von Til Schweiger kann man davon ausgehen, dass sie erfolgreich sind, und er hat auch tatsächlich das Fördergeld zurückgezahlt. So eine Produktion hilft dann auch der ganzen Infrastruktur in der Region.

Die Bandbreite der geförderten Filme reicht von Experimentalfilmen bis zu großen Hollywoodproduktionen, die in Hamburg und Schleswig-Holstein gedreht werden. Wie kommt das?

Wir brauchen ja beides. Und das haben wir in Hamburg auch immer verteidigt. Wir haben zwei Gremien, eines für die teuren Produktionen und eines für Newcomer und Low-Budget. Und da bin ich froh, dass nie von oberen Stellen versucht wurde, das auf ein Gremium zu reduzieren. Denn das ist ja auch ein Signal an die Branche, die kleinen, niedrig budgetierten Filme nicht links liegen zu lassen.

Durch die Hamburger Filmförderung sind die Regisseure Detlev Buck und Fatih Akin groß geworden. Beide hatten für ihre ersten Projekte aber kaum Referenzen. Wie erkennt man das Potential bei Newcomern?

Bei beiden war es von Anfang an so, dass sie toll schreiben konnten. Ihre Dialoge waren sehr lebendig und echt. Fatih hat ein feines Gefühl für die verschiedenen Schichten und die hat er dann auch im Sprachduktus getroffen. Und wenn man sie dann kennenlernte, wusste man sofort, dass man sich auf sie verlassen konnte. Bei den frühen Filmen von Buck, wie „Karniggels“, haben wir schon gewitzelt, der könnte statt eines Drehbuchs auch eine Tafel Schokolade einreichen und die hätten wir auch gerne gefördert. Diesen urig, norddeutschen Ton, den er anschlagen kann, gab es ja damals im deutschen Kino noch überhaupt nicht. Buck wurde schon vor meiner Zeit entdeckt, aber Fatih, der ja, von einer Fernsehdokumentation abgesehen, alle Filme von uns gefördert bekommen hat, habe ich von seiner Geburtsstunde als Filmemacher an erlebt.

2004 wollte die Stadt Hamburg ihre Zahlungen um die Hälfte kürzen – eine Krise.

In dem Jahr waren wir in Hamburg ganz stolz, weil Fatih Akin auf der Berlinale den Goldenen Bären für „Gegen die Wand“ gewonnen hatte. Und ausgerechnet danach bekam ich den Anruf aus der Kulturbehörde, dass in Zukunft dreieinhalb Millionen der Fördermittel weniger gezahlt würden. Damals war Hamburg ja als Medienstandort gegen Berlin schon abgeschlagen und in München und Nordrhein-Westfalen wurde viel in die Medienbranche investiert. Hamburg konnte mit seinen Kreativen gerade noch mithalten, doch plötzlich kam dann das, und es hat uns einen enormen Imageschaden zugefügt.

Wie ging die Sache aus?

Die Branche hat sich sehr dagegen gewehrt und mir kamen meine politischen Erfahrungen auch ganz gut zunutze, weil ich Gott und die Welt darauf angesprochen habe. Die Wirtschaftsbehörde hat dann zwei Millionen wieder draufgelegt, aber wir haben noch einige Jahre gebraucht, bis wir wieder auf dem alten Stand waren.

Unter Ihrer Geschäftsleitung wurden über 3.000 Filme gefördert ...

... da kann ich mich aber nicht an jeden erinnern!

Auf welche Projekte sind Sie denn besonders stolz ?

Ich finde gut, dass es in allen, mit den Jahren wechselnden Gremien immer möglich war, solche experimentellen Künstler wie Peter Sempel zu fördern. Und es war mir wichtig, dass hier dem Dokumentarfilm solch ein Gewicht beigemessen wird. Und dann bin ich natürlich stolz, wenn es die von uns geförderten Jungen es schaffen, auf internationale Festivals zu zeigen, was sie können.

Zum Beispiel?

Da ist natürlich Fatih Akin zu nennen, aber ich war auch total froh, als Katrin Gebbe vor zwei Jahren mit ihrem Debütfilm „Tore tanzt“ nach Cannes eingeladen wurde. Da hatten wir im Gremium lange diskutiert, weil das ein sehr sperriger Filmstoff ist. Schließlich haben wir ihr die Chance gegeben – und dieser Glaube wurde so bestätigt.

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