Filmstart „The Interview“: Das Nordkorea-Gefühl

Die Unklarheit, was Realität und was Simulation ist, begleitet auch den deutschen Start von „The Interview“. Der Blick wird von Projektionen getrübt.

Beliebtes Fotomotiv: das Filmplakat von „The Interview“. Bild: dpa

Eine wichtige, wenn auch schwächere Szene in dem Film „The Interview“ ist der Moment, als der von James Franco hübsch debil gespielte Talkshow-Host Dave Skylark in Nordkorea den Glauben verliert. Eben noch dicke mit Kim Jong Un (Randall Park), in dem als adäquatem Buddy die kindliche Begeisterung für Party und Katy Perry nicht erst geweckt werden muss, kriegt Skylark nun, was man früher einen Moralischen nannte: Er stellt fest, dass das Lebensmittelgeschäft mit den gut gefüllten Regalen nur eine Attrappe ist – und ist enttäuscht. Och, menno.

Damit beschreibt die Komödie dramatisch eine für den westlichen Besucher doch realistische Verunsicherung. Zu den Nordkorea-Gefühlen gehört die permanente Unklarheit darüber, was Realität ist und was Simulation: Werden die Apparate im liebevoll herausgeputzten Kinderkrankenhaus benutzt oder nach dem Vorzeigen gleich wieder eingepackt, bis die nächste Delegation an ihnen vorbeigeführt wird?

Dieses Nordkorea-Gefühl hat die Geschichte des Films „The Interview“ begleitet, der nun in die deutschen Kinos kommt. Tatsächlich war nicht immer klar, was Ernst und Satire, was wirklich und was fake war, seit auf den Sony-Hack im November die angeblich nordkoreanische Drohung folgte, im Falle des geplanten US-Filmstarts zu Weihnachten mit Erinnerungen an den 11. September aufzuwarten.

Zuletzt beschwerte sich das nordkoreanische Außenministerium bei der Berlinale, die den Film gar nicht zeigt, über die Unterstützung von „The Interview“, weil es nicht zwischen Kinostart (5. Februar) und Filmfestspiele-Beginn (ebenfalls am 5. Februar) unterscheiden konnte. Ein Land, das „gnadenlose Bestrafung“ poltert, aber Kinoprogramme nicht lesen kann, macht sich lächerlich.

Einerseits ist es also so leicht, sich über Nordkorea lustig zu machen, dass die Komödie lange Zeit klugerweise das Gegenteil tut: Das male bonding zwischen Kim und den beiden Gästen funktioniert fast reibungslos, das Spielgerät (eine eigene Basketballhalle, ein Panzer von Stalin) ist atemberaubender als zu Hause, und die Idee, dass der Enkel eines „Ewigen Präsidenten“ und Sohn eines „Geliebten Führers“ im Passepartout amerikanischer Vaterkomplexe erzählt werden könnte, ist nicht die abseitigste Spekulation über die schwer durchschaubaren Machtbewegungen in Pjöngjang.

Freiheit der Kunst per Kinobesuch verteidigt

Andererseits ließe sich aus den Fehlwahrnehmungen unserer Verhältnisse verstehen, dass der Blick des sogenannten Westens auf den Fernen Osten auch getrübt wird von Projektionen. Also etwa, dass die Freiheit der Kunst, die nach der merkwürdigen Drohung im Dezember plötzlich per Kinobesuch verteidigt werden konnte, immer schon in Bahnen verläuft. Das Interesse Hollywoods, durch eine ausgeklügelte Satire über die, sagen wir, Bedeutung der Rolle der Partei in China einmal die Freiheit der Kunst zu demonstrieren, dürfte angesichts der Geschäftsmöglichkeiten, die der dort rasant wachsende Kinomarkt verspricht, aktuell kaum ausgeprägt sein.

Die Pointe der ganzen Aufregung um „The Interview“ ist eine ökonomische: Aus dem geplanten Großstart in den USA (gut 4.000 Leinwände) wurde ein kleinerer (331 Leinwände) – erstmals gepaart mit einem zeitgleichen Streaming-Angebot, gegen das sich Kinobetreiber auch hierzulande immer gewehrt hatten, das durch die Anschlagsdrohung politisch aber fast erzwungen wurde (dezentrale Verbreitung!).

Bis Ende Januar hatte der Film 40 Millionen Dollar auf diese Weise und sechs Millionen im Kino erlöst. Das deckt den Produktionsetat und wird als „Meilenstein“ (Sony CEO Michael Lynton) gewertet, auch wenn die gut 20 Millionen Dollar fürs Marketing noch nicht reingekommen sind. Dafür ist die PR-Kampagne von „The Interview“ unter den sechs Nominierten für die beste Marketing-Strategie eines Films 2014, die am 20. Februar von der International Cinematographers Guild gekürt wird. Wie weit man Publicity für den Film denkt, wäre wiederum so ein Nordkorea-Gefühl.

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